Kein herzliches Willkommen: Das Aufnahmezentrum für Migranten im Hafen von Shengjin im Nordwesten Albaniens. © Vlasov Sulaj/dpa
Rom – Es ist der dritte Versuch. 49 vor der italienischen Insel Lampedusa im Mittelmeer aufgelesene Migranten befinden sich seit Dienstagmorgen in den von Italien in Albanien errichteten Auffang- und Abschiebelagern. Zweimal bereits missglückte der Plan, die Asylsuchenden gar nicht erst ans italienische Festland kommen zu lassen und sie von Albanien aus abzuschieben. Im Oktober und November hatten italienische Gerichte der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Herkunftsstaaten Ägypten und Bangladesch wurden als nicht sicher eingestuft, die Migranten mussten nach Italien transportiert werden.
Was verspricht sich Meloni davon, das vielerorts in der EU mit großem Interesse verfolgte Abschiebeprojekt wieder aufzunehmen? Die Bedingungen haben sich in gewisser Weise geändert. So verfügte die Exekutive in Rom, dass künftig nicht mehr die erstinstanzlichen Gerichte in Italien über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Festnahmen entscheiden, sondern Berufungsgerichte. Dort sitzen Richter, von denen Meloni und Co. erwarten, dass sie eher im Sinne der Regierung entscheiden und die Festnahmen bestätigen.
In diesem Zusammenhang entschied im Dezember auch der Kassationsgerichtshof in Rom über die Rechtmäßigkeit einer Liste, in der die Regierung Herkunftsländer als sicher einstuft. Meloni interpretierte das Urteil als Bestätigung ihrer Linie und kündigte die Wiederaufnahme der Transporte nach Albanien an. Das ist nun geschehen. Ein Schiff der italienischen Marine brachte die Migranten in einen Hotspot im Hafen von Shengjin. Die Migranten stammen vor allem aus Bangladesch, aber auch aus Ägypten, der Elfenbeinküste und Gambia, alles von der Regierung als sicher eingestufte Herkunftsländer. Am 25. Februar soll sich der EuGH in Luxemburg abschließend mit der Frage der sicheren Herkunftsstaaten beschäftigen.
Der Ansatz, Migranten gar nicht erst EU-Boden betreten zu lassen, ist für zahlreiche politische Kräfte europaweit eine reizvolle Lösung. Italien und Albanien unterzeichneten im November 2023 ein entsprechendes Abkommen, das fünf Jahre gelten soll. Die Regierung veranschlagt dafür Kosten in Höhe von 670 Millionen Euro.
Unterdessen haben die Überfahrten über das Mittelmeer nach Italien im Januar stark zugenommen. Stand Dienstag kamen laut Innenministerium 3312 Migranten über das Mittelmeer nach Italien, im selben Vorjahreszeitraum waren es weniger als die Hälfte. Für Meloni, die sich einen großen Teil ihres politischen Kredits in und außerhalb Italiens durch ihre harte, aber weitgehend erfolgreiche Migrationspolitik erwirtschaftet hat, ist das ein Alarmsignal. Beobachter erklären die exponentiell angestiegenen Zahlen nicht nur mit dem derzeit guten Wetter.
Offenbar spielt auch der Fall des am 19. Januar auf Antrag des Internationalen Strafgerichtshof festgenommenen Brigadegenerals Osama Elmasry Najeem eine Rolle. Obwohl ihm schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, ließ ihn Italien zwei Tage später wieder frei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb nun gegen Meloni. Elmasry, Chef der libyschen Justizpolizei und Direktor des berüchtigten Migrantengefängnisses in Mitiga bei Tripolis, gilt als eine der Schlüsselfiguren im Hinblick auf die Kontrolle der Abfahrten von Bootsmigranten. Möglicherweise sind die derzeit vor allem aus Libyen ablegenden Migranten ein Warnsignal für Meloni.