Asyl: Tage der Entscheidung

von Redaktion

Gesprächsbedarf: Heute treffen Kanzler Olaf Scholz (re.) und Herausforderer Friedrich Merz im Bundestag aufeinander. Eine Absprache im Vorfeld gab es nicht. © Gaertner/IMAGO

München – Der Titel könnte nüchterner kaum sein. Die Tagesordnung des Bundestags sieht für heute um 14.10 Uhr eine „Regierungserklärung zu aktuellen innenpolitischen Themen durch den Bundeskanzler“ vor. 24 Tage vor der Wahl wird Olaf Scholz also vor die Abgeordneten treten. Doch das Thema hat ihm der Oppositionsführer aufgezwungen: Seit Friedrich Merz vergangene Woche seinen Fünf-Punkte-Plan zur Migration vorlegte, wird intensiv darüber diskutiert. Und die spannende Frage lautet: Bekommt Merz eine Mehrheit hin? Und wenn ja: mit wem?

Der Ablauf: Das Thema dürfte in dieser Woche zwei Mal auf der Tagesordnung des Bundestags auftauchen. Am heutigen Mittwoch durch zwei Anträge und am Freitag bei der Abstimmung über das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“, das die Union bereits nach dem Messeranschlag auf dem Solinger Stadtfest mit drei Toten Ende August eingebracht hatte.

Die Anträge: Der erste Antrag umfasst den Fünf-Punkte-Plan von Merz. Die Union fordert dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche einer illegalen Einreise. Es gelte ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente haben und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen. Die Zahl der Abschiebungen müsse deutlich erhöht werden, ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem zeitlich unbefristeten Arrest bleiben, bis sie das Land verlassen.
Der zweite Antrag ruft einen „Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“ aus. Die Maßnahmen reichen von einer Mindestdatenspeicherfrist für IP-Adressen über einen besseren Datenaustausch der Behörden bis zu einer Gesichtserkennung in Echtzeit an besonders kriminalitätsbelasteten Orten. Nachrichtendienste sollen gestärkt, Strafen verschärft werden. Auch in diesem Antrag geht es viel um Migration. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sollen wieder möglich sein, der Familiennachzug wird beendet. Bei schweren Straftaten sollen eingebürgerte Doppelstaatler ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.

Das Gesetz: Das „Zustrombegrenzungsgesetz“, über das die Union am Freitag abstimmen lassen will, hat den parlamentarischen Prozess durchlaufen. Darin wird die „Begrenzung“ der Zuwanderung wieder explizit als Ziel aufgenommen. Seit Anfang 2022 habe man 1,8 Millionen Asylbewerber und Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen, damit sei „die Integrationskapazität in Deutschland auf absehbare Zeit“ erschöpft. Ein Kern des Gesetzes: Die Bundespolizei bekommt selbst das Recht zu „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“. Der zuständige Ausschuss des Bundestags empfiehlt zwar die Ablehnung. Dies erfolgte aber noch vor dem Bruch der Ampel mit den Stimmen der FDP. Das Gesetz ist zustimmungspflichtig, muss also durch den Bundesrat – wo es am Veto der roten und grünen Landesregierungen scheitern könnte. Nächste Bundesratssitzung ist zwar am 14. Februar, doch wenn keine Fristverkürzung beschlossen wird, erfolgt die Entscheidung erst nach der Bundestagswahl.

Mögliche Mehrheiten: Die Union ist in ihren Forderungen sehr regierungskritisch, hofft aber noch auf eine Mehrheit in der Mitte des Parlaments. Am Wochenende habe man die Entwürfe der Anträge an SPD, Grüne und FDP übermittelt, nicht aber an die AfD. „Wir haben mit der AfD keine Gespräche darüber“, stellte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt noch einmal klar. Bleiben SPD und Grüne hart, wird es eng: 367 Stimmen braucht man für eine Mehrheit. Union und FDP (die den zweiten Antrag ablehnt) kämen selbst mit AfD nur auf 362. Weitere Unterstützung könnte vom BSW (10) kommen. Da aber nie alle Abgeordneten teilnehmen, könnte es sogar auf die neun Fraktionslosen ankommen.

Die Folgen für die heutigen Anträge sind auch bei einer Verabschiedung noch nicht ganz klar: Sie haben lediglich appellativen, also keinen verpflichtenden Charakter. Da aber in der Regel die Bundesregierung über eine Mehrheit im Parlament verfügt, ist das nie ein Problem. Derzeit gibt es allerdings eine rot-grüne Minderheitsregierung, und die Zeit bis zur Wahl ist kurz. Gut möglich, dass sich eine Umsetzung bis nach dem 23. Februar hinzöge.

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