Kurs halten: Friedrich Merz beim CDU-Parteitag in Berlin. © John Macdougall/AFP
Berlin – Irgendwann greift Friedrich Merz durch. Fünf Mal hat er bis dahin angesetzt, fünf Mal haben sie ihn im Berliner CityCube übertönt, so lange, bis Merz selbst – etwas hölzern – lachen muss. Es erinnert ein wenig an den vergangenen Freitag, nur dass jetzt nicht die Bundestagsfraktion, sondern die Partei ihrem Chef applaudiert. Merz dankt für die warme Begrüßung, jetzt müsse er den Parteitag aber auch mal eröffnen dürfen. „Es sind noch 20 Tage“, sagt er dann. „Wir stehen bereit, Deutschland wieder nach vorne zu führen.“
Hinter der CDU liegt eine hitzige Woche. Die gemeinsamen Abstimmungen mit der AfD im Bundestag haben viele im Land verärgert, bis zu 250 000 Menschen trieb das Bohren in der Brandmauer am Sonntag allein in Berlin auf die Straße. Umso enger stehen sie nun beim Parteitag ebendort zusammen. Erstaunlich: Auch der alte Merkel-Flügel lässt bisher kein Aufbegehren erkennen.
Merz fühlt sich bestätigt und gibt gleich zu Beginn sein Ziel vor. Die Menschen sollten „schon in die Sommerpause 2025 gehen mit neuer Zuversicht“, sagt er. Eine Regierung unter seiner Führung werde sich „ohne jeden Zeitverzug an die Arbeit machen“. Belegen soll das ein Sofortprogramm, das die gut 950 Delegierten beschließen. Es beinhaltet auch den 5-Punkte-Plan zur Verschärfung der Migrationspolitik, den die Union mit AfD-Stimmen verabschiedete.
Die Frage, die sich seit den historischen Tagen vergangene Woche stellt, ist die: Hat es sich gelohnt? Hat die Union Glaubwürdigkeit und Vertrauen gewonnen oder eingebüßt? In der neusten Insa-Umfrage hat die Union jedenfalls keine Stimmen verloren, aber auch keine dazugewonnen. Sie steht unverändert bei 30 Prozent.
Merz stemmt sich in Berlin gegen den Verdacht, nach der Wahl könne das nächste Tabu fallen. Die Union, sagt er, werde „niemals“ mit der AfD zusammenarbeiten, es gebe auch „keine Duldung, keine Minderheitsregierung“. Er wolle die in Teilen rechtsextreme Partei wieder zu einer Randerscheinung machen. Den Demonstranten vom Wochenende ruft er zu, sie hätten sich „im Datum und im Thema geirrt“, lieber sollten sie gegen Antisemitismus auf die Straße gehen. Für beides erntet Merz Beifall.
Unterstützung ist am Montag auch aus Bayern angereist. CSU-Chef Markus Söder gehört zu denen, die meinen, die Glaubwürdigkeit der Union sei seit vergangener Woche gestiegen. In seiner Rede setzt er sich ebenfalls von der AfD ab („Nein, nein, nein zu jeder Form der Zusammenarbeit“) und macht Merz dann eines dieser Söder-Komplimente, das eigentlich nur ein halbes ist. „Letzte Woche war schon ein steiler Move“, sagt er. Viele hätten dies der CDU gar nicht zugetraut. Merz habe „eine Leitentscheidung getroffen, so wie es ein künftiger Kanzler machen muss“. SPD und Grüne habe er damit „ein bisschen erschreckt zurückgelassen“.
Nun ja, den Schrecken spürte man auch in der Union, vor allem nach der Intervention von Alt-Kanzlerin Angela Merkel. Es wundert insofern nicht, dass Merz sich in seiner Rede auf Adenauer, Erhard und Kohl beruft, nicht aber auf sie. Wie in der Vergangenheit stehe man heute wieder vor „weitreichenden politischen Entscheidungen“, sagt er. Die müssten „erstritten und wenn nötig auch erkämpft werden“. Interessant: Als größte Herausforderung der kommenden Jahre nennt er nicht Migration oder die Wirtschaft, sondern „das Bewahren unserer Freiheit“ – explizit gegen Putins Russland.
Inhaltlich kündigt Merz an, einen Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie legen zu wollen. Künftig werde jedes Mal die Frage gestellt: „Dient diese Entscheidung der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie oder schadet sie?“ Die Wirtschaft will die Union unter anderem mit einer Senkung der Stromsteuer wieder in Schwung bringen. Den Kampf gegen Antisemitismus will er forcieren. Gegen ihn sei man „bisher viel zu zögerlich vorgegangen“.
Vor allem aber ruft er die Partei dazu auf, in der Migrationsfrage Kurs zu halten. Die Frage, mit wem er nach der Wahl den harten Kurs umsetzen will, bleibt offen. Die Grünen, die sich derzeit bemühen, die Tür zur Union wieder ein wenig aufzustoßen, dürften nach diesem CDU-Parteitag jedenfalls nicht über die Maßen ermutigt sein.
MIT DPA