KOMMENTAR

In der SPD werden die Messer gewetzt

von Redaktion

SPD-Spitze wollte Scholz verhindern

Man muss nur einen Moment lang die Augen schließen, um sich vorzustellen, wo die SPD heute mit einem Kanzlerkandidaten Boris Pistorius stehen könnte, gerade auch angesichts der Schwierigkeiten von Friedrich Merz. Dann weiß man, wie sehr sich in der SPD viele in den Allerwertesten beißen angesichts des Umstands, dass die Genossen mit Olaf Scholz weiterhin weit unterhalb der 20-%-Marke dümpeln ohne reelle Chance, das Blatt in den zwei verbleibenden Wochen noch zu wenden. Fast der Hälfte der SPD-Abgeordneten droht der Sturz aus dem Bundestag. Trotzdem: Berichte, dass SPD-Co-Chef Lars Klingbeil im November offenbar mehrere Anläufe unternahm, um Scholz noch von einer Kandidatur abzubringen, braucht man in der heißen Wahlkampfphase so wenig wie einen dreibeinigen Hund.

Denn sie beschädigen alle: Olaf Scholz selbst, ebenso aber die Parteispitze, die sich gegen den Machtanspruch eines schon damals erkennbar aussichtslosen Kanzlerkandidaten nicht hat durchsetzen können. Der anderen Co-Parteichefin Saskia Esken kann‘s egal sein: Ihr Schicksal gilt in der SPD als besiegelt, sie soll der populären saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger weichen. Bedeutend schwieriger ist die Lage für Lars Klingbeil. Der 46-jährige Niedersachse kämpft um seine Zukunft als starker Mann der SPD in der Nach-Scholz-Ära. Je schlechter das Ergebnis der SPD ausfällt, desto geringer sind seine Chancen, sich im Ringen um die Vize-Kanzlerschaft gegen den Wählerliebling Pistorius (64) zu behaupten.

Dass die Darstellung von den Differenzen in der SPD-Führung wenige Tage vor der Wahl die Runde macht, zeigt: In der SPD werden in Erwartung einer schweren Niederlage bereits die Messer gewetzt. In der Partei dürfte nach dem 23. Februar kein Stein auf dem anderen bleiben. Doch liegt darin für die Sozialdemokratie auch die große Chance, sich von der woken Funktionärspartei wieder zurückzuverwandeln in die Volkspartei, die sich um die ganze normalen Leute kümmert.
GEORG.ANASTASIADIS@OVB.NET

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