Man kann nach diesem TV-Duell durchaus eine positive Bilanz ziehen: Da duellierten sich zwei solide Kandidaten auf höchst seriösem Niveau. Es ging um Steuerung der Migration, Wirtschaftspolitik, Steuern und Verteidigung – also alles Themen, die die Menschen umtreiben. Beide gingen pfleglich miteinander um. In gewisser Weise waren das zwei ernsthafte Gegenmodelle zum erratischen Donald Trump, der sich für von Gott gesandt hält.
Leider wäre aber auch die gegenteilige Lesart legitim: Da standen zwei Kandidaten, die genauso farblos daherkamen wie ihre Anzüge. Die mit Zahlen um sich warfen. Die eine sehr technokratische Herangehensweise an Politik haben. Quasi alle großen Fragen wurden ausgeklammert: Wohin steuert Europa als Gegenmodell zu Trump? Wie bewahren wir die EU vor allzu nationalistischen Tendenzen? Wie wollen wir die technische Revolution der Künstlichen Intelligenz für uns nutzen? Wo müssen wir ihr Grenzen setzen? Wie sichern wir dauerhaft unseren Sozialstaat? Und wie schützen wir uns vor Russland? Selbst als sie über die Landesverteidigung diskutierten, ging es nicht um eine Neuaufstellung der Bundeswehr – sondern nur um abstrakte Prozentzahlen des Bruttosozialprodukts. Es war eine Debatte für all jene Bürokraten, die wir doch eigentlich in die Schranken weisen wollen.
Der Fairness halber: Die verengte Diskussion lag nicht nur an den Kandidaten, sondern auch an den Fragen der Journalistinnen. Vielleicht sollte der ganze Politbetrieb wieder mehr in größeren Zusammenhängen denken.
MIKE.SCHIER@OVB.NET