Triumph oder Karriereende?

von Redaktion

„Sie wollen uns loswerden“: Gründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht muss eine Woche vor der Bundestagswahl mit dem BSW die Fünf-Prozent-Hürde fürchten. © dpa

Erfurt/Berlin – In der Messe Erfurt ist die Welt für Sahra Wagenknecht noch in Ordnung. Eine Band spielt beim Thüringer Wahlkampfstopp der BSW-Chefin, das Publikum ist begeistert, auch wenn der Saal nicht ganz voll ist. Frieden sei das Wichtigste, sagt eine Frau Mitte 60. Und von Frieden spricht auch Wagenknecht auf der Bühne. „Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Land mental immer mehr auf Krieg eingestellt wird“, ruft die 55-Jährige. Der Satz geht fast unter im Applaus.

Bundesweit allerdings läuft es eine Woche vor der Wahl nicht mehr rund für das Bündnis Sahra Wagenknecht. Mit Umfragewerten von 4 bis 5,5 Prozent sieht es knapp aus für den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Und ein Scheitern am 23. Februar, so hat es Wagenknecht nun mehrfach angedeutet, wäre voraussichtlich auch das Ende ihrer politischen Laufbahn.

„Die Wahl ist auch eine Abstimmung über meine politische Zukunft“, bekräftigt sie zuletzt im ARD-Hörfunk. Auf die Nachfrage, ob das ihr Karriereende wäre: „Objektiv ist es das, weil man ohne Bundestagsmandat nicht mehr gehört wird. Aber ich denke über diesen Fall gar nicht nach, weil ich sehr zuversichtlich bin, dass wir oberhalb von fünf Prozent landen.“

Noch bei der Europawahl im Juni schaffte die Partei der früheren Linken aus dem Stand 6,2 Prozent. Bei der Landtagswahl in Thüringen waren es sogar 15,8 Prozent, in Brandenburg 13,5 und in Sachsen 11,8 Prozent der Stimmen. In Thüringen und Brandenburg regiert das BSW mit. Aber jetzt? „Uns bläst der Wind ins Gesicht“, sagt Wagenknecht in Erfurt. „Sie wollen uns loswerden.“ Die BSW-Gründerin zweifelt an den Umfrageinstituten. „Natürlich wird mit Umfragen schon auch Politik gemacht“, sagt sie in der ARD. Es sei das „Signal an die Wähler: Die braucht ihr nicht wählen, verschenkte Stimme“.

Eigene Probleme spricht Wagenknecht seltener an. Da ist der Streit mit zwei Hamburger BSW-Mitgliedern, die gegen den Willen der Parteispitze einen eigenen Landesverband gegründet haben. Da ist der Austritt des bayerischen BSW-Europaabgeordneten Friedrich Pürner, der zum Abschied eine „Kultur des Misstrauens und der Überwachung“ in der Partei beklagt. Und da sind die Austritte von bayerischen BSW-Leuten aus Protest gegen die gemeinsame Abstimmung mit Union und AfD über das „Zustrombegrenzungsgesetz“ im Bundestag. Deswegen hat Bayerns BSW-Landeschef Klaus Ernst auch Ärger mit seiner Gewerkschaft, der IG Metall.

Wagenknechts sehr strikte Migrationspolitik trifft bei einigen in der Partei auf Unbehagen. Dafür ist ihr Topthema Ukraine-Frieden und Verständigung mit Russland nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump auf die internationale Bühne entrückt. Beides scheint zu bedeuten: Wagenknechts Mobilisierungsmotor stottert. Gleichzeitig meldet ihre Ex-Partei Linke einen Aufschwung in den Umfragen und einen Mitgliederrekord.

Bei der Parteigründung Anfang Januar 2024 kündigten Wagenknecht und ihre Mitstreiter an, das BSW wolle sich für die nächsten 30 bis 40 Jahre als „Volkspartei“ in Deutschland etablieren und die Politik grundlegend verändern. Ist es denkbar, dass dem Projekt schon nach einem Jahr die Puste ausgeht?

„Ich bin aus vollem Herzen in die Politik gegangen, weil ich etwas bewegen will, und habe ja deshalb auch die Partei gegründet“, sagt Wagenknecht in einem Interview der „Bunten“. „Aber manchmal hat man das Gefühl, man kämpft gegen Windmühlen, die anderen sind einfach mächtiger.“ In solchen Momenten fange ihr Ehemann Oskar Lafontaine sie auf und gebe ihr Kraft.

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