Eine Siko für die Geschichtsbücher

von Redaktion

Ukraine-Verhandlungen

Die Rede von JD Vance vom Freitag konnte als Abgesang auf die transatlantische Freundschaft verstanden werden, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs unsere Welt prägt. Nicht Russland oder China seien die Bedrohung, sondern das Europa, das sich ungezügelter Meinungsfreiheit à la Elon Musk widersetzt, sagte Vance. Obendrein hatte der US-Vize ausdrücklich keine Zeit für den (Immer-noch-)Regierungschef des Gastgeber-Landes, dafür aber für AfD-Chefin Alice Weidel, die das „alte System“ zertrümmern will. Es war ein Affront der US-Regierung, durch den diese Siko wohl in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Es ist bizarr: Die USA, die halfen, Nazi-Deutschland in eine wehrhafte Demokratie umzubauen, in der Rechtsnationalisten nie wieder uneingeschränkte Herrschaft bekommen sollten, stützen jetzt offen genau die Kräfte, die Gewaltenteilung und Rechtsstaat mit Füßen treten. Aber so verstörend dieser Siko-Auftakt auch war: Die Vielstimmigkeit und Uneinigkeit, die im Laufe dieses Wochenendes im US-Lager deutlich wurde, zeigt auch, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es (von Vance) aufgekocht wurde. Denn das transatlantische, proukrainische Lager unter den US-Republikanern ist immer noch stark. Offen ist jedoch, ob und wie diese Leute zu Trump vordringen können.

Denn alles dreht sich um das Ego des Präsidenten. So ging es Trump bei seinem Telefonat mit Putin nur am Rande um den Krieg in der Ukraine, sondern darum, ein für ihn zentrales Zugeständnis zu bekommen: Auf offener Bühne hatte er im Wahlkampf der 95-jährigen Mutter des in Russland inhaftierten Marc Fogel versprochen: „Ich hole Ihren Sohn raus.“ Und um hier einen populären Erfolg einzufahren, bezahlte er mit der Nato-Mitgliedschaft Kiews.

Aber jetzt ist Fogel frei – und Trump wird schnell merken, dass diese „Ukraine-Sache“ und der Weg zu seinem Friedensnobelpreis doch komplizierter sind, als gedacht. Dem unberechenbaren Narzisten Trump sitzt ein langfristig planender, im Schmeicheln KGB-geschulter Wladimir Putin gegenüber. Aber da ist auch noch Wolodymyr Selenskyj, der sicher weit weniger Macht hat, aber klug laviert. Und da ist Europa, für das diese Siko ein Weckruf für mehr Eigenständigkeit war. Alles ist offen.
KLAUS.RIMPEL@OVB.NET

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