„Selenskyj war der Star dieser Sicherheitskonferenz“

von Redaktion

Der US-Politikwissenschaftler James Davis ist trotz der Vance-Rede für die Ukraine und die EU noch zuversichtlich

München – Es war ein hartes Wochenende für James W. Davis. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler organisierte und moderierte etliche Veranstaltungen auf der Münchner Sicherheitskonferenz – und diesmal war das für ihn angesichts der harschen, antieuropäischen Rede des US-Vizepräsidenten auch eine „emotionale Herausforderung“. Im Interview zieht der an der Uni St. Gallen lehrende Amerika-Experte sein Fazit dieses Siko-Wochenendes.

Wie geht es Ihnen als US-Amerikaner, der seit Langem in Deutschland lebt, nach diesem Abgesang von JD Vance auf die transatlantischen Beziehungen?

Ich bin enttäuscht und besorgt. Etwas, wofür so viele Amerikaner und Europäer jahrzehntelang gearbeitet haben, wird einfach salopp über Bord geworfen. Und man fragt sich, wofür? Auf der anderen Seite: Ich habe jede Menge Amerikaner auf dieser Siko getroffen, auch aus dem Lager der Republikaner, die alle gesagt haben: Wir werden dagegen kämpfen. Insofern habe ich Hoffnung, dass diese isolationistische und nationalistische Strömung, die durchaus in der US-Gesellschaft da ist, nicht siegen wird.

Wie groß ist der Einfluss dieses transatlantischen Lagers?

Trump braucht für sein innenpolitisches Programm auch die Stimmen derer in seiner Partei, die in der alten Tradition der US-Republikaner stehen. Lindsey Graham, ein enger Vertrauter Trumps, hat in seiner Siko-Rede deutlich gemacht, dass es keinen Sinn macht, aus Freunden Feinde zu machen. Aber man fragt sich schon, was sich der Vize-Präsident bei seiner Rede gedacht hat.

Plant die Trump-Regierung eine weltweite rechtspopulistische Internationale?

Es sind zwei Strömungen: JD Vance ist einer jener nationalkonservativen Rechtspopulisten, die kosmopolitische Werte und eine weitere Integration der Welt ablehnen. Und auf der anderen Seite stehen die Tech-Milliardäre, denen die staatliche Regulierung ihrer Unternehmen durch die EU ein Dorn im Auge ist. Beide Strömungen haben sich gemeinsam gegen die EU verbündet, aber aus unterschiedlichen Gründen. Warum interessiert sich ein Südafrikaner wie Elon Musk für die deutsche AfD? Weil die AfD und andere Rechtspopulisten die EU zerstören können, deshalb sind diese Kräfte für die Tech-Milliardäre interessant.

Den US-Truppenabzug hat Vance nicht wie befürchtet verkündet. Ein ermutigendes Zeichen?

Viele Europäer haben ja kritisiert, Vance hätte da eine Chance vertan, etwas Konkretes über Sicherheit und die Ukraine-Verhandlungen zu sagen. Ich habe meinen europäischen Freunden gesagt, sie sollen froh sein, dass er das nicht getan hat. Ich denke, die Trump-Administration weiß noch gar nicht, was sie da will. Insgesamt ist es sehr schwer, zwischen ernst zu nehmenden Signalen und Lärm zu unterscheiden. Das ist das, was mich so ermüdet hat.

Gelang es Selenskyj, die US-Amerikaner wieder mehr auf die ukrainische Seite zu ziehen?

Es soll ein sehr gutes Gespräch zwischen Selenskyj und den republikanischen Kongressabgeordneten und Senatoren gegeben haben. Dort ging es konkret um die Dinge, die nötig sind, um einen auch für die Ukraine sicheren Frieden zu schaffen. Für mich war Selenskyj der Star dieser Sicherheitskonferenz. Er war derjenige, der Europa herausgefordert hat und gesagt hat: Entweder Moskau oder Brüssel.

Sind die Europäer auf dieser Siko zusammgerückt?

Ja, und ich hatte auch den Eindruck, dass Ursula von der Leyen hier eine Chance sieht, um Brüssel noch stärker zu machen.

Hat die transatlantische Freundschaft eine Zukunft?

Ich glaube, damit die transatlantischen Beziehungen eine Zukunft haben, braucht es mehr Europa. Mit diesem US-Präsidenten wird diese Idee nur eine Chance haben, wenn Europa stark auftreten kann und selbstbewusst mit ihm redet. Wenn es Trump aber gelingt, die einzelnen EU-Staaten auseinanderzudividieren, dann ist die enge Zusammenarbeit sowohl in Europa als auch transatlantisch gefährdet.


INTERVIEW: KLAUS RIMPEL

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