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Episode statt Ära: Scholz vor dem Ende

von Redaktion

SPD droht Wahl-Pleite

Irgendwie erinnert alles an 1998: Ein Land, das in der (wirtschaftlichen) Krise steckt. Ein Bundeskanzler, der nicht erkennt, dass es in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr für ihn gibt. Und eine Partei, die nicht die Kraft hatte, diesem Kanzler mit der knallharten Wahrheit eine neuerliche Kandidatur auszureden. Wenige Tage vor der Wahl sieht es ganz so aus, als würde Olaf Scholz und seine SPD das gleiche Schicksal ereilen wie einst Helmut Kohl und die Union. Damals siegte stattdessen Gerhard Schröders SPD mit 40,9 Prozent der Stimmen. Heute liegen die Genossen eher bei 14 als bei 40.

Noch ist die Wahl nicht vorbei, sehr viele Wähler sind unentschlossen. Doch der SPD und ihrem Spitzenkandidaten fehlt das Momentum, die Partei steuert auf ein historisch schlechtes Wahlergebnis zu. Die Demütigung durch die US-Delegation während der Münchner Sicherheitskonferenz mag von schlechter Kinderstube der Trump-Administration zeugen, sie ist aber einfach eine brachial nüchterne Prioritätensetzung: Warum im dichten Terminkalender noch Zeit auf einen Kanzler verschwenden, der in wenigen Wochen Geschichte ist?

Die Genossen werden sich nach dem Sonntag an die Aufräumarbeiten machen – und natürlich alle Schuld bei Scholz abladen. Aber so einfach ist es nicht: Die SPD muss endlich entscheiden, welche Partei sie sein will. Die Partei der Bürgergeldempfänger, wie es Parteichef Lars Klingbeil sogar selbst abschätzig nennt? Die Partei der links-woken Großstadt-Intelligenz, die das *innen sogar beim Sprechen verwenden? Oder doch die Partei der einfachen, aber fleißigen Arbeiter und Angestellten! Von denen haben sich viele abgewandt und suchen Zuflucht bei der AfD, die immer erfolgreicher den Frust über die allgemeinen Lebensumstände bündelt.

Die linke Ampel ist gescheitert, der Zeitgeist, der sie an die Regierung brachte, verflogen. Die SPD muss deshalb zurück in die Mitte. Wenn die Genossen klug sind, bilden sie mit einem möglichen Vizekanzler Boris Pistorius und einem neuen Fraktionschef Lars Klingbeil ein pragmatisches Führungsduo. Beide gemeinsam müssen sozialdemokratische Politik dann neu formulieren. Ein Blick nach Dänemark zu Mette Frederiksen könnte wichtige Anregungen bringen.

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