Brüssel/München – In der europäischen Agrarpolitik deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Künftig sollen Verbote durch Anreize ersetzt werden, es soll keine hektarbasierten Beihilfen mehr geben, Junglandwirte und kleine Betriebe sollen stärker gefördert werden. Beim Schutz der Umwelt sollen Lösungen mit den Landwirten gefunden werden. Zudem soll die Bürokratie spürbar abgebaut werden. „Die Landwirte sollen ihre Zeit nicht verschwenden mit Papierkrieg, sondern ihrer Arbeit als Landwirte nachgehen können“, sagte EU-Agrarkommissar Christophe Hansen bei der Präsentation der Vision einer neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die von 2028 bis 2034 gelten soll.
Noch in diesem Frühjahr wolle die Kommission ein „Vereinfachungspaket“ vorlegen. Die Bürokratie und die wachsende Regelungswut sowie ein Gefühl der mangelnden Wertschätzung waren mitentscheidend dafür, dass die Landwirte vor einem Jahr europaweit auf die Straße gegangen sind. EU-Kommisionpräsidentin Ursula von der Leyen sagte gestern, dank der harten Arbeit der Landwirte gebe es in Europa sichere und hochwertige Lebensmittel. „Dennoch sehen sich unsere Landwirte mit den wachsenden Herausforderungen des globalen Wettbewerbs und des Klimawandels konfrontiert.“ Die Landwirtschaft solle daher attraktiver, widerstandsfähiger und nachhaltiger gemacht werden.
Viele Details müssen noch erarbeitet werden. Doch der Agrarkommissar betonte, dass vor allem die jungen Landwirte eine Zukunftschance bekommen sollen. In den ersten Jahren sollten sie mehr Unterstützung erhalten. Es müsse aber auch darüber diskutiert werden, welche Rolle die Größe eines Betriebs für die Höhe der Unterstützung habe. „Man kann einen Betrieb mit fünf Hektar nicht mit einem Betrieb von 5000 Hektar vergleichen.“ Auch die unterschiedlichen Produktionsbedingungen müssten berücksichtigt werden: „Landwirtschaft in den österreichischen Alpen sieht anders aus als in Zypern.“
Hansen sprach sich dafür aus, dass die kommenden Generationen „richtig erzogen“ werden müssten. Es müsse den Kindern vermittelt werden, dass es „nicht darauf ankommt, sich billig zu ernähren, sondern gut“. Kritisch bewertet er, dass Lebensmittel importiert würden, die mithilfe von Pestiziden produziert worden seien, die in der EU verboten seien. „Das versteht weder der Erzeuger noch der Verbraucher.“
Der Bayerische Bauernverband (BBV) lobt die Pläne. „Der neue EU-Agrarkommissar zeigt mit seiner Vision zur Zukunft der Land- und Ernährungswirtschaft, dass er nach Jahren mit immer neuen Auflagen und Regelungen praxisbezogen echte Perspektiven für die Bauernfamilien schaffen möchte“, so Generalsekretär Carl von Butler. „Uns allen ist zu wünschen, dass er seine Ziele in Form von spürbaren Vereinfachungen, verlässlichen und ausreichenden Finanzmitteln umsetzen kann. Denn alles andere würde nicht nur den Strukturwandel weiter verschärfen, sondern auch die Qualität der Lebensmittel in Europa gefährden und die Versorgungssicherheit infrage stellen.“ Der Bauernverband fordert ein sofortiges Bürokratie-Memorandum, dass Ökobetriebe auch ohne vollumfängliche Weidehaltung ihre Förderung behalten und mehr Eigenverantwortung für die Landwirte.
CLAUDIA MÖLLERS