Trump nennt Selenskyj einen „Diktator“

von Redaktion

US-Präsident wirft ukrainischem Staatschef fehlende Legitimation vor – Bald Treffen mit Putin

Donald Trump (r.) und Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen 2024 in New York. © Julia Demaree Nikhinson/dpa

Washington/Kiew – Ein höflicher Besucher in Kiew – aber ein sehr unhöflicher Trump-Zwischenruf aus Washington: Die amerikanische Ukraine-Politik sorgt weltweit für Aufsehen. Zeichnet sich eine Kehrtwende ab? Der US-Sondergesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, ist zu Sondierungsgesprächen über einen Ausweg aus Russlands Angriffskrieg in der Ukraine eingetroffen. Er sei zum Zuhören gekommen, sagte er dort zurückhaltend.

Kelloggs Chef, US-Präsident Donald Trump, hatte mit einer Tirade gegen die Ukraine und ihre Führung irritiert. In der Nacht auf Mittwoch wurden Trumps Vorwürfe publik, die Ukraine habe den Krieg verursacht. „Ihr hättet es nie anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können.“ Es gebe in Kiew „eine Führung, die einen Krieg zugelassen hat, den es nie hätte geben dürfen“. Staatschef Wolodymyr Selenskyj habe nur noch „vier Prozent“ Zustimmung. Später legte er nach, der Präsident sei ein „Diktator ohne Wahlen“. Dafür gab es viel Widerspruch, auch aus Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte dem Spiegel“, es sei „schlicht falsch und gefährlich, Präsident Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen“. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte den Vorwurf „vollkommen absurd“.

Eine seriöse Quelle für die „vier Prozent“ gibt es nicht. Selenskyj konterte in Kiew mit Umfragen von angeblich über 50 Prozent Zustimmung: „Wenn mich jemand gerade jetzt austauschen will, dann klappt das eben jetzt nicht“, sagte er. Alles andere sei „russische Desinformation“. Hintergrund ist, dass in der Ukraine keine Wahlen mehr stattfinden, seit das Land von Russland angegriffen wurde. Selenskyj wurde 2019 für eigentlich fünf Jahre gewählt.

Nun erscheinen auch die innenpolitischen Auseinandersetzungen der vergangenen Woche in einem neuen Licht: Selenskyj hatte seinen Vorgänger und politischen Rivalen Petro Poroschenko mit maximalen Sanktionen belegt. So wurde sein Internetzugang gesperrt, und es wurde ihm auch verboten, ins Ausland zu reisen, was auch seine geplante Reise zur Sicherheitskonferenz in München verhinderte. Der durch sein Schokoladen-Imperium reich gewordene Unternehmer darf nicht mehr über seine Vermögenswerte verfügen, Handel treiben oder Kapital aus der Ukraine ausführen. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Poroschenko vor, 2014 bis 2015 die Separatisten der „Volksrepubliken“ von Donezk und Luhansk unterstützt zu haben, indem er den illegalen Handel mit Kohle aus den von Russland besetzten Gebieten ermöglicht haben soll.

An Trumps Kurs gibt es nicht nur wegen des „Diktator“-Zitats Kritik aus Deutschland. Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte im Deutschlandfunk: „Die Amerikaner haben einen Fehler gemacht, die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine vom Tisch zu nehmen.“ Auch US-Äußerungen zu ukrainischen Gebietsabtretungen würden die westliche Verhandlungsposition schwächen. Zudem gehe es nicht, dass die USA ohne Europa mit Russland verhandeln, Europa aber zugleich die Last einer späteren Friedenssicherung alleine aufbürden wollten.
KLAUS RIMPEL

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