Die CSU und ihre Zittersiege

von Redaktion

Gute Aussichten: Wolfgang Stefinger. © Schmidhuber

München – Wolfgang Stefinger versichert, er habe für Sonntag ein „total positives Gefühl“. Der CSU-Abgeordnete berichtet von der Wechselstimmung an den Infoständen, und damit meint er die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag, nicht die in seinem Wahlkreis im Münchner Osten. Stefinger vertritt ihn seit 2013 in Berlin und wird das wohl auch die nächsten vier Jahre tun. Ein Umfrageportal sieht ihn bereits mit 100 Prozent Sicherheit als Sieger.

Siege schmecken unterschiedlich süß. Die knappsten sind manchmal ein besonderer Genuss, doch seit der Reform des Wahlrechts gilt das nicht mehr. Knappe Siege können nun auch Niederlagen sein. Das Projekt der Ampel, das auf eine Verkleinerung des Bundestags abzielte, stärkte die Bedeutung der Zweitstimmen, deren Verteilung nun über die Zusammensetzung des Bundestages entscheidet. Wer hier weniger Sitze erhält, als er Direktmandate gewinnt, geht in den Wahlkreisen mit den knappsten Ergebnissen leer aus.

Betroffen werden große Städte sein, wo es mehr Konkurrenz gibt. Der CSU-Politiker Stephan Pilsinger gewann 2021 im Kreis München-West/Mitte mit 0,1 Prozentpunkten Vorsprung vor dem Grünen Dieter Janecek. 27,0 zu 26,9. Stefinger kam auf 31,7. Das reichte für einen klaren Sieg, wäre nach heutigem Wahlrecht aber nicht genug gewesen.

Der Vergleich zu 2021 ist spektakulär, führt aber in die Irre. Neun von 45 CSU-Abgeordneten wären aufgrund der Reform trotz Direktmandat nicht in den Bundestag eingezogen. Geändert hat sich allerdings nicht nur der rechtliche Rahmen – auch die heutigen Umfragen lassen sich mit den Zahlen von damals nicht mehr vergleichen. Vor dreieinhalb Jahren fuhr die CSU mit 31,7 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 ein, diesmal könnte sie zehn Punkte und mehr darüber liegen. Die jüngste GMS-Umfrage für Sat.1 Bayern sieht sie bei 42 Prozent.

Das dürfte reichen. Martin Huber, der Generalsekretär, ist optimistisch, „dass wir alle Wahlkreise über die Zweitstimmen absichern“. Auch die Rückeroberung des 46. in Bayern, der 2021 als einziger nicht an die CSU ging, sondern an die Grüne Jamila Schäfer in München-Süd, gilt als realistisch. Was darüber hinaus über die Liste möglich ist, darüber spekuliert Huber lieber nicht öffentlich: „Wir haben immer noch die Unsicherheit, wie viele Parteien insgesamt reinkommen.“ Ohne BSW und FDP könnten weitere CSU-Vertreter folgen, zum Beispiel der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner auf Listenplatz 3. Eingeplant ist er in Berlin aber ohnehin. Die CSU will ihn zum Agrarminister machen.

Auch Stefinger hat gute Aussichten, trotz Reform. Bis heute ist sein Ärger nicht abgekühlt. Mehr als die Abwertung der Direktmandate verübelt er der Koalition den Angriff auf die Grundmandatsklausel, die für die CSU wichtig ist, weil man bundesweit nicht so weit über fünf Prozent liegt, aber verlässlich mehr als drei Mandate holt. „Die Ampel“, sagt er, „hat bewusst versucht, die CSU aus dem Bundestag zu drängen.“
MARC BEYER

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