Friedrich Merz ist sich seiner Sache ziemlich sicher. Bis zum Wahltag werde „jetzt kein Wunder mehr passieren“, rief er im letzten TV-Wahlduell dem noch amtierenden Kanzler zu. Das stimmt wahrscheinlich. Aber vielleicht erlebt der CDU-Chef ja selbst ein Wunder, und zwar ein blaues. Denn diese Bundestagswahl ist einzigartig: Nie zuvor stand der künftige Bundeskanzler so früh fest – doch nie zuvor könnte Deutschlands neuer mächtigster Mann gleichzeitig so machtlos werden wie Friedrich Merz, und das in einer für Deutschland und Europa schicksalhaften Lage.
Im Konrad-Adenauer-Haus schrillen sämtliche Alarmglocken, seit Umfragen andeuten, dass CDU und CSU gemeinsam mit der SPD womöglich keine Mehrheit erreichen, sondern auch noch die Grünen ins Koalitionsboot holen müssen. Das wäre vermutlich der Fall, wenn am Sonntag der Wagenknecht-Partei, nicht aber der FDP der Sprung ins Parlament gelingt. Dann fiele die von Merz versprochene durchgreifende Politikwende aus, weil die Grünen dann beim Asyl mauern und die SPD beim dringend nötigen Umbau des Bürgergelds und generell des aufgeblähten Sozialstaats.
Auf die Stimmung im Land hätte eine solche weitere Stillstands-Koalition nach den vertanen Ampel-Jahren die Wirkung einer kalten Dusche. Denn Merz hat mit seinem polarisierenden Wahlkampf hohe Erwartungen geweckt und die Lager mobilisiert wie zuletzt Gerhard Schröder 1998. Mit seinen harten Remplern gegen die FDP und dem Versuch, diese aus dem Parlament zu drängen, hat Merz alles auf die Karte Schwarz-Rot gesetzt. Was aber, wenn es für die Groko nicht reicht? Angesichts der dramatisch knappen Umfragelage hoffen jetzt manche in der Union, dass die Liberalen doch noch reinkommen, weil sich in einer Deutschland-Viererkoalition aus CDU, CSU, SPD und FDP immer noch mehr Unionspositionen durchsetzen ließen als in einem Kenia-Bündnis mit SPD und Grünen.
Die Wähler stellt das vor eine knifflige Denksportaufgabe. Mehr als sonst werden diesmal taktisch wählen. Und auf einen guten Ausgang hoffen, der es dem Regierungschef Merz erlaubt, Deutschland neu zu erfinden und zugleich Europas Sicherheit vor Putins Aggressionen und Trumps Verrücktheiten zu schützen.
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