Koalition kontra Kickl

von Redaktion

Strebt ein Ministeramt an: Die Chefin der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger, könnte das Justizressort bekleiden. Vorausgesetzt, die Gespräche glücken. © Georg Hochmuth/dpa

München – Alexander Van der Bellen hatte es in letzter Zeit wirklich nicht leicht. Immer wieder musste Österreichs Bundespräsident vermitteln, moderieren, Absagen entgegennehmen. Erst stiegen die liberalen Neos aus den Verhandlungen aus, dann scheiterten Gespräche zwischen FPÖ und ÖVP. Es wollte einfach nicht klappen mit einer neuen Koalition. Aber jetzt, bald fünf Monate nach der Wahl, könnte es sein, dass Van der Bellen Positives zu verkünden hat.

Künftig könnte ein Dreierbündnis in Österreich regieren. Die konservative ÖVP und die sozialdemokratische SPÖ verhandeln schon seit Tagen miteinander und einigten sich zuletzt auf einen Sparhaushalt, um ein Defizitverfahren in Brüssel zu umgehen. Mitte der Woche holte der vermutlich nächste Kanzler Christian Stocker (ÖVP) dann auch die Neos mit ins Boot, wohl um die künftige Regierung mit einer sicheren Mehrheit auszustatten. ÖVP und SPÖ haben zusammen nur eine Stimme Mehrheit im Nationalrat, mit den Liberalen sind es 19.

Sollte es so kommen, wäre im Nachbarland ein dicker Knoten geplatzt. Der erste Versuch der drei Parteien, eine Regierung zu bilden, scheiterte Anfang Januar – mitunter an der Unnachgiebigkeit der SPÖ bei ihrer Forderung nach einer Vermögens- beziehungsweise Erbschaftsteuer. Daraufhin brach die ÖVP ihr Vorwahl-Versprechen, keinesfalls mit dem rechtspopulistischen FPÖ-Chef Herbert Kickl zu verhandeln. Doch auch zwischen Konservativen und Rechten knirschte es bald. Bei der Haltung zur EU kamen beide nicht zusammen, auch die Verteilung der Ministerien war strittig. Die FPÖ bestand auf dem Innenressort, die ÖVP war dagegen.

Dass sich ÖVP, SPÖ und Neos nun am Riemen reißen, dürfte auch mit der Alternative zu tun haben: Neuwahlen. Bei denen würde Kickls FPÖ wohl noch mal besser abschneiden als im September, als sie die Wahl mit 28,8 Prozent der Stimmen gewann. Das Szenario diszipliniert die anderen. Und so schreitet die Einigung voran.

Die ÖVP wird als stärkste Partei den Kanzler stellen. Laut ORF bekommt sie auch das Innenministerium, gibt aber das Finanzressort nach Jahrzehnten an die SPÖ ab. Die bekommt offenbar auch das Sozial- und das Infrastrukturministerium. Verteidigung und Landwirtschaft sollen bei den Konservativen bleiben. Die Neos werden indes mit zwei Ministerien gelockt: Bildung gilt als sicher, daneben könnten sie das Justiz- oder das Außenministerium besetzen. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, von Haus aus Juristin, ist für eines der beiden letzteren Häuser im Gespräch.

Die FPÖ übt sich indes in der Bewältigung ihres „Fast-Kanzler-Traumas“, wie der „Standard“ es gerade formulierte. Fünf Wochen lang glaubte sie daran, mit Kickl erstmals den Regierungschef stellen zu können, nun arbeitet sich die Partei an der ÖVP ab, der sie die Schuld an den gescheiterten Verhandlungen gibt. Am Mittwoch plant die Partei Berichten zufolge, im Parlament einen Antrag auf Neuwahlen zu stellen. Das aber dürfte scheitern.

Noch am Freitag wollten ÖVP, SPÖ und Neos zu Van der Bellen in die Hofburg kommen, um ihn über den Stand der Verhandlungen zu unterrichten. Inhaltlich gibt es wohl noch offene Fragen, insgesamt sieht es aber nach einem Bündnis aus. Auch bei einer Einigung haben die Mitglieder der Liberalen noch ein Wörtchen mitzureden. Sie müssen den Koalitionsvertrag mit einer Zweidrittelmehrheit absegnen. Frühester Zeitpunkt dafür ist offenbar der kommende Freitag. Dann könnte Van der Bellen einen neuen Kanzler ernennen – das wäre dann doch eine Erleichterung.

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