Grausame Inszenierung: Das martialische Auftreten der Hamas-Krieger bei der Übergabe der vier Leichen sorgte weltweit für Entsetzen. © Omar Al-qattaa/AFP
Tel Aviv – Die Hamas hat nach Worten von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu statt der deutsch-israelischen Geisel Shiri Bibas die Leiche einer Frau aus dem Gazastreifen an Israel übergeben. „Mit einem unvorstellbaren Zynismus haben sie nicht Shiri zusammen mit ihren kleinen Kindern (…) übergeben und haben die Leiche einer Frau aus dem Gazastreifen in den Sarg gelegt“, erklärte Netanjahu. „Die Grausamkeit der Hamas-Monster hat keine Grenzen“, fügte er hinzu. „Die Hamas wird einen schweren Preis für diese grausame und perverse Verletzung des Abkommens zahlen“, sagte der israelische Ministerpräsident zudem in einer Videobotschaft.
Das Forum der Geisel-Familien erklärte, es sei „entsetzt und erschüttert“ darüber, dass Shiri Bibas nicht zusammen mit den Leichen ihrer Söhne übergeben worden sei, „trotz der Vereinbarung und unserer verzweifelten Hoffnungen“.
Auch aus Berlin gab es scharfe Kritik. Was man am Vortag gesehen habe, „unterstreicht noch mal die unglaubliche Perfidität und die unglaubliche Widerlichkeit, mit der die Hamas da vorgeht“, kritisierte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. „Man mag sich nicht ausmalen, durch welche Hölle die Familie, die Angehörigen da gerade gehen.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte am Freitag nachdrücklich die Rückkehr von Shiri Bibas nach Israel: „Unsere Gedanken sind bei Familie Silbermann-Bibas, die Abschied von Ariel und Kfir nehmen muss, aber weiter um Shiri bangt – auch sie muss zurückkehren, die Hamas muss sie freigeben.“
Ein Vertreter der Hamas sagte, Bibas‘ Leiche sei wahrscheinlich „versehentlich mit anderen verwechselt worden, die unter Trümmern gefunden wurden“. Am Freitagabend erklärte die Hamas dann, man habe nun die Leiche von Schiri Bibas an das Rote Kreuz übergeben. Das israelische Militär überprüfte zunächst die Informationen.
Die radikalislamische Palästinensermiliz hatte im Rahmen des Waffenruheabkommens am Donnerstag vier Leichen an Israel übergeben. Dabei handelte es sich laut Hamas um vier der bei dem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 verschleppten Geiseln: Oded Lifshitz, Shiri Bibas und ihre beiden Söhne, Kfir und Ariel. Lifshitz wurde bereits am Donnerstag identifiziert. Am Freitag bestätigte die israelische Armee dann, dass es sich um die beiden Kinderleichen handele. Die vierte Leiche sei laut forensischen Untersuchungen jedoch nicht Shiri Bibas.
Kfir Bibas war zum Zeitpunkt der Entführung neun Monate alt, sein Bruder Ariel vier Jahre. Nach israelischen Einschätzungen wurden die beiden von ihren Entführern im Gazastreifen ermordet. „Im Gegensatz zu den Lügen der Hamas wurden Ariel und Kfir nicht bei einem Luftangriff getötet, sondern kaltblütig ermordet“, sagte Armee-Sprecher Daniel Hagari. „Die Terroristen haben die beiden Jungen nicht erschossen – sie haben sie mit bloßen Händen umgebracht“, fügte er hinzu. Anschließend hätten die Terroristen „grausame Taten“ begangen, um ihre Gräueltaten zu vertuschen, sagte Hagari. Details nannte er nicht.
Jarden Bibas war getrennt von seiner Familie im Gazastreifen festgehalten worden, er kam am 1. Februar frei. Seine zwei Söhne waren die letzten Kinder, die noch in der Gewalt der Islamisten waren.
Im Zuge der ersten Phase der Waffenruhe wurden bislang 19 lebende israelische Geiseln im Austausch gegen mehr als 1100 palästinensische Häftlinge freigelassen. Am Samstag will die Hamas sechs weitere Geiseln freilassen, drei von ihnen früher als geplant. Zwei davon sind Männer, die seit rund zehn Jahren festgehalten werden. Die anderen wurden am 7. Oktober 2023 verschleppt.