Die Macht am Rand: AfD, Linke und die Sperrminorität

von Redaktion

München – „Opposition ist Mist“, rief einst SPD-Urgestein Franz Müntefering seinen Genossen zu, „lasst das die anderen machen.“ Das Bild einer machtlos vor sich hin darbenden Opposition, welche auch immer, wurde von diesem Ausruf lang geprägt. Dabei kann in vielen Fällen die Opposition aus Mist mehr machen. Und womöglich wird das der Bundestag in Kürze schmerzhaft erfahren. Die extremen Ränder AfD und Linke steuern nämlich auf eine sehr mächtige Position im Parlament zu.

Es geht um die „Sperrminorität“. Hinter dem technischen Begriff steckt ein Minderheitenrecht für die Opposition. Stellt sie mindestens ein Drittel der Abgeordneten, kann sie in einzelnen wichtigen Punkten bremsen oder blockieren. Nach Lage der Dinge von gestern Abend sind AfD und Linke gemeinsam dicht dran.

Die zwei Parteien könnten dann alles blockieren, was eine Grundgesetzänderung erfordert. Da geht es um brandaktuelle Fragen: Das wäre zum Beispiel die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, an der dann nichts geändert werden könnte. Ebenso könnten AfD und Linke ein in der Verfassung abzusicherndes „Sondervermögen“ (das beschönigende Wort für immense neue Schulden) verhindern, etwa für die Ausrüstung der Ukraine. An sich haben AfD und Linke wenig politisch gemein, auf diesem Feld aber ähnliche Ansichten. Offen ist außerdem, ob jemals eine andere Form der Wehrpflicht eingeführt werden könnte, die Männer und Frauen einbezieht – auch da bräuchte es ja eine Änderung der Verfassung. Zudem können AfD und Linke die Wahl von Bundesrichtern blockieren.

Mit dem Argument, eine Sperrminorität zu verhindern, hat die FDP in den letzten Tagen ums parlamentarische Überleben gekämpft. Auch Experten hatten darauf hingewiesen; anfangs vor dem Hintergrund der hohen BSW-Werte, dann mit Blick auf die Linke. Es bestehe eine „reale Gefahr, dass die demokratischen Fraktionen nicht mehr über die nötige Zweidrittelmehrheit verfügen“, warnte etwa Ifo-Präsident Clemens Fuest vor Tagen öffentlich mit Blick auf die Ukraine-Hilfe. In Thüringen ist das bereits Realität, da hat die AfD über ein Drittel der Sitze. Im Januar blockierten sie damit die Besetzung des Richterwahlausschusses, um für sich selbst mehr Posten herauszuholen.

Bereits 25 Prozent genügen im Bundestag, um Untersuchungsausschüsse (Corona?) einzuberufen, die dann Zeugen vernehmen und einiges an Wirbel erzeugen können.
CD

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