Zufriedene Verlierer: Annalena Baerbock und Robert Habeck kamen von den drei Ampel-Parteien noch am besten aus dieser Wahl. © Sommer/dpa
München – Robert Habeck wartet gar nicht, bis die ersten Prognosen vorliegen. Es ist noch deutlich vor 18 Uhr, als der grüne Kanzlerkandidat erstmals mit Annalena Baerbock vor die Anhänger tritt. Seine Bilanz des Wahlkampfs fällt erstaunlich zufrieden aus. „Egal, was heute Abend passiert, das war fantastisch“, ruft der Kandidat. „Das war der Wahlkampf, den ich führen wollte.“ Man habe sich aus dem „Blues der Ampel“ hin zur Zuversicht gekämpft, mit dem Haustürwahlkampf wurden extrem viele Menschen erreicht. Und dann ruft er unter großem Jubel in den Saal: „Heute Abend um 22 Uhr werden alle Kameras abgeklebt und dann wird gefeiert, bis die Augen tränen.“
Vor der Feier kommt aber noch die Tour durch die TV-Studios. Man sieht dem scheidenden Vizekanzler die Erleichterung an. Das Ergebnis sei achtbar, sagt er mehrfach. Andere sehen es ähnlich. „Viele hatten größere Sorgen vor dem heutigen Abend“, berichtet der Oberbayer Toni Hofreiter. „Wir standen zum Ende der durchaus umstrittenen Bundesregierung bei acht bis neun Prozent.“ Jetzt sei man klar zweistellig. „Da ist das ein deutlich besseres Ergebnis.“ Ähnlich äußert sich die bayerische Fraktionschefin Katharina Schulze: „Wir haben uns in diesem Wahlkampf trotz der schwierigen Lage nach vorne gekämpft, wenn man bedenkt, wo wir im November in den Umfragen standen.“
Außenministerin Annalena Baerbock ist ein wenig forscher: „Wir wären gerne noch stärker geworden.“ Aber die Bevölkerung habe ein „katastrophales Vertrauen“ in die letzte Bundesregierung gehabt. Immerhin habe man sich davon besser befreit als SPD und FDP.
Was viele vergessen: Das Ergebnis 2021 war zwar historisch gut – aber trotzdem eine Enttäuschung. Im Wahlkampf hatte man deutlich besser gelegen, sogar die Kanzlerschaft stand im Raum. Dann stolperte Spitzenkandidatin Baerbock wegen ihres nicht von ihr selbst verfassten Buches in eine Glaubwürdigkeitskrise. „Wir wollten mehr“, sagte sie. Heute ist ihr schwaches Ergebnis von damals die Marke, an der sich Robert Habeck messen lassen darf.
In der Analyse des Ergebnisses verweisen viele bei den Grünen auf die letzten Wochen im Bundestag. Die Abstimmungen von Friedrich Merz gemeinsam mit der AfD brachte auch die Ökopartei in unerwartete Nöte. Für viele am linken Rand hatte sich Merz damit als Partner unmöglich gemacht. Habeck aber wollte weiter als Koalitionspartner zur Verfügung stehen. Etliche Wähler wanderten deshalb zur Linken ab. „Ich habe immer gesagt, dass wir Verantwortung tragen können müssen“, sagt Habeck.
Ob die Grünen überhaupt als Koalitionspartner mit der Union infrage kommen, ist am Abend noch nicht klar. Die Partei selbst ist gespalten. Auf der einen Seite will man weiter gestalten, auf der anderen haben sich viele über Merz und sein Vorgehen geärgert. Vor allem am Samstag, als Merz gegen „grüne und linke Spinner“ wetterte. Klar, Schlussphase des Wahlkampfs. Aber Habeck will das trotzdem nicht so stehen lassen. „Jetzt muss er mal zeigen, dass er wie ein Bundeskanzler agiert – und nicht wie ein sauerländischer was auch immer“, sagt er. „Aber wir sind bereit für Gespräche.“
Falls es klappen sollte mit der Regierungsbeteiligung, gelten Habeck und Baerbock als gesetzt für Ministerposten. Die Parteichefs dürften wohl erst einmal im Amt bleiben. Eng würde es allerdings beim Gang in die Opposition. Erwartet wird, dass dann Baerbock nach dem Fraktionsvorsitz greift und ihn auch erhält. Katharina Dröge könnte als Co-Fraktionschefin im Amt bleiben und ihre bisherige Mitstreiterin Britta Haßelmann womöglich Vize-Parlamentspräsidentin werden.
MIT DPA