Die FDP sucht sich selbst

von Redaktion

Die FDP ist demontiert. Nachdem die Liberalen aus dem Bundestag geflogen sind, sucht die Partei nach einem neuen Chef und ihrem Markenkern. © Vennenbernd/dpa

München – Um 22.28 Uhr steht es für ihn fest. Christian Lindner tippt seinen Abschied ins Handy. „Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus“, schreibt er auf dem Nachrichtendienst X. Ein Danke, ein gelbes Herz. Was anfänglich nur als hypothetische Option im politischen Raum stand, ist seit spätem Sonntagabend Gewissheit. Die FDP verfehlt die fünf Prozent. Die Liberalen fliegen aus dem Bundestag. Und der Parteichef zieht Konsequenzen daraus. Sein Führungsanspruch sei dann erloschen, sagt Lindner, noch bevor sich die 4,3 Prozent abzeichnen.

Damit ist der Weg frei für eine neue Parteispitze, die die FDP im Kern neu ausrichtet und in vier Jahren vielleicht wieder aus der außerparlamentarischen Opposition führt. Wie es einst Lindner getan hat. Nur so wirklich reißen tut sich um diesen Posten niemand. FDP-Vizechef Johannes Vogel will erst einmal ehrenamtlich Politik machen. Vize-Fraktionschef Konstantin Kuhle kehrt lieber zu seinem erlernten Beruf als Rechtsanwalt zurück. Die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht sich mit ihren „wichtigen Aufgaben in Europa“ und als Mitglied des FDP-Präsidiums „mehr als ausgelastet“. Gleichzeitig sagt sie aber auch zur „Bild“: „Ich stehe voll und ganz hinter der FDP und werde dort in der Partei Verantwortung übernehmen, wo es notwendig ist und wo es gewünscht wird.“ Die noch übrigen Ex-Ampel-Minister ziehen sich erst einmal zurück. Ex-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger gibt den Landesvorsitz in Hessen und Vize-Bundesvorsitz ab. Und der einstige Justizminister und späterer FDP-Generalsekretär Marco Buschmann tritt zurück. Es brauche Platz „für neue frische Köpfe“. Doch an diesen Köpfen scheint es noch zu mangeln.

Überraschend wirft der altbekannte Parteivize Wolfgang Kubicki am Montag seinen Hut in den Ring. Dabei hatte er noch am Vorabend seinen Rückzug erklärt – sollte die FDP scheitern. Und die FDP scheiterte. Doch in der Nacht hätten ihn so viele Menschen gebeten, Führung zu übernehmen. Sodass „ich ernsthaft darüber nachdenke, im Mai zu kandidieren“, sagt er. Unterstützung bekommt er aus Thüringen. Der dortige FDP-Vize Robert-Martin Montag hält etwa Rufe nach Strack-Zimmermann für „völlig falsch“. Gerade ihr Kurs sei abgewählt worden, Kubicki könne die Partei einen.

Was Montag damit meint, wird auch unter Lindners Abschieds-Botschaft auf X deutlich. Da schreibt der FDP-Mann Gerhard Papke aus Nordrhein-Westfalen: „Viele Jahre waren wir nicht nur enge politische Weggefährten, sondern Freunde, bis du die FDP Schritt für Schritt nach links und an die Seite der Grünen geführt hast.“ Es sind harte Worte von einem ohnehin schon Lindner-Kritiker, aber es offenbart die auseinanderdriftenden Ideen von Liberalismus. Einstige Ampel-Fans gegen ständige Ampel-Kritiker. Sozialliberale gegen Wirtschaftsliberale. Strack-Zimmermann gegen Kubicki?

Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich macht schon mal deutlich, auf welcher Seite er steht. „Wenn sich die Linksliberalen beim Parteitag durchsetzen, dann bleibt mir keine andere Wahl, als eine neue liberale Partei zu gründen“, sagt er dem Nachrichtenportal „The Pioneer“. Er werde sich dafür einsetzen, dass diejenigen, die „uns vor drei Wochen im Deutschen Bundestag blamiert haben, keinen Einfluss in der Parteispitze haben“. Ende Januar blieben 23 FDP-Abgeordnete der Migrations-Abstimmung im Bundestag fern – um nicht gemeinsam mit der AfD stimmen zu müssen. Darunter Vogel, Kuhle und krankheitsbedingt auch Buschmann.

Für die FDP geht es jetzt also darum, Liberalismus zu definieren und zu verkörpern. Mit etwas Abstand steht Lindner dann auch seiner Partei für Ratschläge zur Verfügung, sagt er. Wenn er denn gefragt wird.

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