Friedrich Merz als Winston Churchill? Der europäische Erwartungshorizont, gezeichnet von unserem Karikaturisten Heiko Sakurai.
Berlin/München – Das internationale Glückwunsch-Ritual für Wahlgewinner hat viele Formen. Das gute alte Telegramm hat ausgedient, aber oft noch werden Briefe geschrieben, enge Verbündete rufen an. Die Worte werden genau gesetzt, sie sollen Verbindendes betonen, Differenzen höchstens antippen. Seit gestern ist das Ritual um eine Facette reicher: US-Präsident Donald Trump hat auf seinem Online-Netzwerk „Truth Social“ eine Botschaft an den deutschen Wahlsieger Friedrich Merz veröffentlicht. Und als Zeichen dafür, dass ihn die Resultate aus Berlin bewegen, überwiegend in Großbuchstaben.
„Es sieht so aus, als hätte die konservative Partei in Deutschland die mit Spannung erwartete Wahl gewonnen“, schrieb Trump. Ähnlich wie in den USA hätten die Deutschen genug von der „Agenda ohne gesunden Menschenverstand“ – vor allem in den Bereichen Energie und Einwanderung. Es sei ein „großartiger Tag für Deutschland und für die Vereinigten Staaten“. Er schrieb: „Herzlichen Glückwunsch an alle – viele weitere Siege werden folgen!“ Dass Trump gratuliert, war nicht selbstverständlich – sein Intimus Elon Musk stützt ja offen die AfD. Im Raum steht noch, wann Merz zu einem Besuch in Washington aufbricht. Bereits zugesagt sind Reisen nach Paris und Warschau.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron griff noch am Sonntagabend zum Telefon, und das zweimal. Er gratulierte Merz: „Wir sind mehr denn je entschlossen, gemeinsam Großes für Frankreich und Deutschland zu leisten.“ Macron rief aber auch Olaf Scholz an. Beiden wird nachgesagt, die deutsch-französische Achse nicht sonderlich gepflegt zu haben, doch Macron fand zum Abschied warme Worte, sprach sogar von „Freundschaft“. Der britische Regierungschef Keir Starmer sendete schriftlich Gratulationen an Merz.
Politisch spannend: Am Sonntagabend hat auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu beim Wahlsieger angerufen. Merz lud den Anrufer nach Deutschland ein und sicherte freies Geleit zu. Unter den ersten Gratulanten war auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der von Merz mehr militärische Unterstützung erhofft als von Scholz. Man wolle die gemeinsame Arbeit fortsetzen, „um Leben zu schützen, echten Frieden näher zur Ukraine zu bringen und Europa zu stärken“, verbreitete Selenskyj.
Freundliche Worte kommen von mehreren Nachbarn. Österreichs konservativer Übergangskanzler Alexander Schallenberg gratuliert zu einem „fulminanten Wahlerfolg“ und bittet um eine stabile Regierung. „Wir brauchen Deutschland als Stabilitätsfaktor“ und als „größten Wirtschaftsmotor“. Dick Schoof aus den Niederlanden lobt die „gutnachbarlichen Beziehungen“. Tschechiens Petr Fiala übermittelt herzliche Worte auf Deutsch („viel Kraft, viel Erfolg“). Über Parteigrenzen hinweg senden zum Beispiel der spanische Sozialist Pedro Sanchez und der Norweger Jonas Gahr Store („Ich freue mich“) gute Wünsche an Merz. Aus Finnland sendet Ministerpräsident Petteri Orpo alles Gute „an meinen Freund Friedrich“. Auch der Grieche Kyriakos Mitsotakis grüßt: „Eins ist klar: Du wirst Deutschlands nächster Kanzler.“ Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic kennt derweil die deutsche Union so gut, dass er gleich Merz und CSU-Chef Markus Söder gratuliert.
Interessant ist, wer nicht gratuliert: Von Viktor Orbán aus Ungarn kommen Glückwünsche ausschließlich an die AfD, nicht an Merz. So hält es auch die nicht regierende FPÖ aus Österreich. „In der Brandmauer der Einheitsparteien, die in Wahrheit eine Angstmauer vor dem Willen der Bevölkerung und vor demokratischer Veränderung ist, klafft seit heute ein riesiges Loch“, übermittelte FPÖ-Chef Herbert Kickl, der beinahe Kanzler geworden wäre, der AfD. Elon Musk sendet zumindest ein überparteiliches Lob, dass Deutschland innerhalb von acht Stunden ausgezählt habe. Italiens Giorgia Meloni bot Merz eine sofortige enge Zusammenarbeit an, „beginnend bei der Bekämpfung der irregulären Einwanderung“. Als weitere Ziele nannte sie mehr Sicherheit und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit Europas.
CD/AFP