Wahlkreise im Blick: Wer holte die Mandate?

von Redaktion

Berlin – Der CSU-Politiker Volker Ullrich war am Wahlabend aufgebracht. „Sie sind keine Demokratin diesbezüglich“, warf erClaudia Roth an den Kopf, die darauf empört reagierte. „Sie haben den Wahlkreis so zugeschnitten, das Königsbrunn weg war.“ Offenbar sah Ullrich darin einen der Gründe dafür, dass er zu den Wahlkreis-Siegern gehört, die nicht in den Bundestag einziehen, weil ihren Parteien nach deren Zweitstimmenergebnissen die Mandate dafür fehlen. Die Wahlkreis-Gewinnenden mit dem prozentual schwächsten Ergebnis kommen dann nicht nach Berlin.

Doch Ullrich ist mit diesem Schicksal eben nicht allein. Weil der Bundestag wieder kleiner werden sollte, ohne das Zweitstimmenergebnis zu verzerren, wurde das Prinzip geopfert, dass alle siegreichen Direktkandidierenden ins Parlament kommen. Das betrifft vor allem die CDU in 15 Wahlkreisen sowie die rechte AfD (vier), die CSU (drei) und einmal auch die SPD. Deren Bremer Kandidatin Ulrike Hiller nahm dieses Schicksal weniger schwer: dass sie nicht Abgeordnete wird sei etwas, „was für mich persönlich gut ist ist!“

Dagegen kritisierte der Baden-Württemberger CDU-Landeschef Manuel Hagel, es sei nun zum erste Mal in der deutschen Geschichte der Fall, dass die direkt gewählten Abgeordneten, nicht automatisch in den Bundestag einziehen würden. Die Städte im Südwesten waren die Orte, in denen sich der Effekt am häufigsten zeigte: In Heidelberg und den umliegenden Wahlkreisen, in Lörrach und Trier, Darmstadt, Mainz und zweimal in Frankfurt. Mit Melis Sekmen in Mannheim und Sertac Bilgin in Ludwigshafen waren auch zwei Unions-Kandidierende mit Migrationshintergrund betroffen. Das weist auf eine Sorge hin: Dass dadurch moderate Stimmen aus diversen Wahlkreisen innerhalb einer Partei gegenüber Hardlinern aus Hochburgen benachteiligt werden.

Überhaupt zeigen auch die Erststimmen-Ergebnisse die tektonischen Verschiebungen dieser Wahl: Gewinne der AfD auf weiter Flur, und ein Debakel für die SPD. Die Sozialdemokraten verloren 49 Wahlkreise an die Union, 21 an die AfD und eine Hand voll an Grüne und Linke – und lagen nur noch in 45 Wahlkreisen vorn, vor allem im Ruhrgebiet und in Niedersachsen.

Die AfD gewann fast alle Wahlkreise in den ostdeutschen Ländern. Zu den dabei Gewählten gehören auch AfD-Leute, die selbst im Vergleich ihrer Partei extrem rechts sind, etwa der frühere Chef der aufgelösten „Jungen Alternative“ Hannes Gnauck, den der Militärische Abschirmdienst einst als Extremisten eingestuft hat, oder Robert Teske, der Büroleiter von Björn Höcke. Gnauck gewann in der Uckermark im Norden von Brandenburg, Teske in Südthüringen. Die drei Ausnahmen von der AfD-Dominanz waren die Linken Bodo Ramelow in Thüringen und Sören Pellmann (Wahlkreis Leipzig II) und Kanzler Olaf Scholz, in dessen Potsdamer Wahlkreis die Grüne Ministerin Annalena Baerbock nur vierte wurde.

Das bundesweit beste Erststimmen-Ergebnis holte die CSU-Politikerin Dorothee Bär in Bad Kissingen, als einzige Kandidatin kam sie über 50 Prozent. Aber auch mehrere AfD-Kandidaten hatten besonders hohe Wahlergebnisse, etwa der Bundesvorsitzende Tino Chrupalla. Zu den Wahlkreissiegern gehört auch der in der Corona-Pandemie bekannt gewordene Virologe Hendrik Streek in Bonn.
D. ROSSBACH

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