Parteipolitische Einflussnahme? NGOs riefen vor der Bundestagswahl zu Demos gegen Rechts auf. Merz hat Fragen zu ihrer Finanzierung und Neutralität. © Hauke-Christian Dittrich/dpa
Berlin – Großer Wirbel um eine Kleine Anfrage: Bevor die Koalitionsverhandlungen überhaupt begonnen haben, herrscht bereits Unmut zwischen Union und SPD. Der Auslöser für den Streit ist ein Fragenkatalog der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Finanzierung und politischen Neutralität von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Die SPD sieht darin einen Angriff auf die demokratische Zivilgesellschaft. „Das ist kein guter Auftakt für die Gespräche mit der Union. Unsere klare Erwartung ist, dass diese Anfrage zurückgezogen wird“, sagt der Münchner SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff unserer Zeitung. Auch der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Lars Klingbeil empfiehlt CDU-Chef Friedrich Merz, seine Haltung noch einmal zu überdenken.
Der Union scheint es jedoch ein Anliegen zu sein, die Förderung von NGOs auf den Prüfstand zu stellen. CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärte bereits im Januar: „Deutschland ist eine Demokratie, keine NGO-Republik.“ Steuergelder dürften nicht „linke Vorfeld-Organisationen“ finanzieren.
Hintergrund der Anfrage der Union sind die jüngsten Demos gegen Rechts, bei denen auch gegen Merz und die Union protestiert wurde. Die Veranstaltungen seien „teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt“ worden. Die Union erkennt darin „eine gezielte parteipolitische Einflussnahme“.
Konkret geht es um die Aktionen, Spenden und politischen Verbindungen von 17 NGOs, darunter Campact, Deutsche Umwelthilfe, BUND und Omas gegen Rechts. „Wie groß ist der Anteil der finanziellen Mittel des Vereins Omas gegen Rechts Deutschland e. V., der aus staatlichen Förderprogrammen stammt?“, will die Union beispielsweise wissen. Der Verein selbst gibt dazu an, er finanziere sich ausschließlich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. „Wir sind nicht als gemeinnützig anerkannt“, erklären Omas gegen Rechts. Es habe nur Projektmittel für einzelne Projekte von wenigen Regionalgruppen gegeben.
„Inwiefern beeinflusst die Deutsche Umwelthilfe e. V. politische Entscheidungsprozesse oder Gesetzesvorhaben nach Einschätzung der Bundesregierung?“, fragt die Union weiter. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist bekannt für ihre juristischen Feldzüge. So setzt sie auf Klagen und führte beispielsweise in München die Einführung des Diesel-Fahrverbots herbei.
Die ebenfalls in der Anfrage erwähnte Organisation Campact, die sich für „progressive Politik“ einsetzt, bezichtigt die Union in einem offenen Brief des Angriffs auf den unabhängigen Journalismus. Auch der Vorsitzende des Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Olaf Bandt, reagiert schockiert auf den Unions-Fragenkatalog. „Es wirkt schon einschüchternd“, sagte er.
Thorsten Frei (CDU), Parlamentsgeschäftsführer der Union, verteidigt indessen die Anfrage. Vorwürfe der Einschüchterung weist er zurück. Rückendeckung erhält er von Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler: Es sei „eindeutig so, dass gemeinnützige Organisationen sich parteipolitisch neutral zu verhalten haben“. Dazu passe nicht, gegen Parteien zu protestieren, die nicht verboten sind. Einzelne Parteien zu fördern oder abzulehnen, überschreite die Grenzen der Gemeinnützigkeit.
Kritik erntete Merz derweil von der Witwe des ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke. Bei einem Wahlkampfauftritt in München hatte Merz mit Blick auf die Demonstranten gegen Rechts gesagt: „Ich frage mal die Ganzen, die da draußen rumlaufen (…): Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet worden ist von einem Rechtsradikalen?“ Die Aussage habe sie „sehr befremdet“, so Irmgard Braun-Lübcke.