KOMMENTAR

Wo Meinungsfreiheit wirklich gefährdet ist

von Redaktion

Donald Trump gängelt US-Reporter

Es ist genau zwei Wochen her, dass US-Vizepräsident JD Vance meinte, den Europäern auf der Münchner Sicherheitskonferenz Nachhilfe in Sachen Demokratie erteilen zu müssen. Die freie Meinungsäußerung scheine in Europa „auf dem Rückzug“ zu sein, erklärte Donald Trumps Stellvertreter. Und: „Wir müssen mehr tun, als über demokratische Werte zu reden, wir müssen sie leben.“ Europa laufe Gefahr, sich von einigen der grundlegenden Werte zurückzuziehen.

Es stimmt: Auch in Deutschland sollte hinterfragt werden, ob man jeden, der nicht die eigene Meinung teilt, gleich in eine extremistische Ecke stellt. Das gilt für Linke, wenn sie über Friedrich Merz herfallen, wie für die Rechten, wenn sie über die Grünen sprechen. Und nicht jeder zugespitzt-kritische Internet-Post ist gleich „Hass und Hetze“! Aber im Vergleich zu dem, was in den USA passiert, scheint das alles harmlos. In den vergangenen Tagen mehren sich alarmierende Zeichen, dass gerade die Regierung Trump/Vance kritischen Journalismus offen bekämpft.

Es begann damit, dass das Weiße Haus Reportern der Agentur Associated Press den Zugang verwehrte, weil sie weiter vom Golf von Mexiko statt, wie von Donald Trump verfügt, vom Golf von Amerika schrieben. Dies führte zum Ärger mit der unabhängigen White House Correspondents‘ Association, die bislang über die Zusammensetzung des sogenannten Korrespondenten-Pools entscheidet. Das soll nun Geschichte sein: Trump will selbst bestimmen, wer Zugang zu seinen Pressekonferenzen hat – was kritische Fragen deutlich limitiert. Gleichzeitig kündigte der Chef der Meinungsseite der „Washington Post“, weil der Besitzer – Amazon-Chef Jeff Bezos – der Redaktion jetzt Vorgaben bei der Kommentierung macht. Die Zeitung, seit dem Watergate-Skandal 1972 das Vorbild aller investigativen Polit-Journalisten, soll sich offenbar nicht mehr mit dem Weißen Haus anlegen.

In Rekordzeit entfernen sich die USA unter dieser Regierung von jenen Werten, die sie uns Deutschen nach dem Nationalsozialismus beigebracht hatten. Das ist auch für uns gefährlich, weil es keineswegs nur um Journalismus geht: Die Macht der Tech-Milliardäre reicht weit in unseren Alltag. Wer durchschaut schon die Algorithmen von Elon Musk (X), Mark Zuckerberg (Facebook, Instagram, WhatsApp) oder auch Bezos, die allesamt einen Kniefall vor Trump vollführen? Je alarmierender die Signale aus Washington werden, desto sorgfältiger muss Brüssel hinsehen.
MIKE.SCHIER@OVB.NET

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