Tel Aviv/Gaza – Israel setzt nach Ablauf der ersten Phase einer Waffenruhe die islamistische Hamas mit einem vollständigen Stopp der Hilfslieferungen in den Gazastreifen unter Druck. Regierungschef Benjamin Netanjahu bekräftigte bei einer Kabinettssitzung, er habe dies angesichts der Weigerung der Hamas beschlossen, einen US-Vorschlag zur Verlängerung der ersten Phase bis in den nächsten Monat zu akzeptieren. Die Hamas warf Netanjahu „Erpressung“ vor.
„Von heute Morgen an wird jegliche Einfuhr von Waren und Lieferungen in den Gazastreifen gestoppt“, hieß es in einer Mitteilung von Netanjahus Büro. „Es wird keine kostenlosen Mahlzeiten geben“, sagte er dann bei der Sitzung seiner Regierung. „Wenn die Hamas glaubt, es sei möglich, die Waffenruhe fortzusetzen oder die Bedingungen der ersten Phase zu genießen, ohne dass wir Geiseln zurückbekommen, irrt sie sich gewaltig“, sagte er. Sollte die Hamas auf ihrer Position beharren, werde dies „weitere Konsequenzen“ haben. Derzeit sind noch 59 Geiseln in der Gewalt von Islamisten in Gaza. Davon sollen noch 24 Männer am Leben sein.
Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich lobte Netanjanhus Entscheidung. Man müsse die „Tore zur Hölle“ nun „so schnell und tödlich wie möglich für unseren grausamen Feind öffnen, bis zum totalen Sieg“.
Die rund zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens leben bereits unter prekären Umständen. Zum Lieferstopp sagte Norwegens Außenminister Espen Barth Eide im Rundfunksender NRK: „Das wird enorme Folgen haben, denn auch wenn in Gaza nicht mehr bombardiert wird, ist die humanitäre Lage immer noch sehr schwierig.“
Der Einfuhrstopp erfolgt zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Die Hamas warf Netanjahu vor, gegen die Waffenruhe-Vereinbarung zu verstoßen. Der Stopp humanitärer Hilfslieferungen sei „skrupellose Erpressung, ein Kriegsverbrechen und ein schwerwiegender Bruch des Abkommens“, hieß es in einer Telegram-Mitteilung der Terrororganisation.
Diese zweite Phase des dreistufigen Abkommens sieht eine Freilassung der verbliebenen Geiseln im Gegenzug für ein dauerhaftes Ende des Krieges vor. Israel beharrt jedoch auf dem Kriegsziel einer völligen Zerstörung der Hamas. Laut israelischen Medienberichten trainiert die Armee des Landes bereits intensiv für einen möglichen Wiederbeginn des Krieges im Gazastreifen.
Bei neuen israelischen Angriffen im Gazastreifen wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde vier Menschen getötet. Die israelische Armee teilte mit, mehrere verdächtige Personen hätten sich israelischen Truppen im Norden des Gazastreifens genähert. Sie seien dabei beobachtet worden, wie sie einen Sprengsatz in dem Gebiet gelegt hätten. „Um die Bedrohung zu beseitigen, hat die israelische Luftwaffe die Verdächtigen angegriffen.“
In der Nacht hatte Israel laut eigenen Angaben einen Vorschlag des US-Sondergesandten Steve Witkoff zur Fortsetzung der Waffenruhe bis Mitte April im Gegenzug für die Übergabe aller verbliebenen Geiseln gebilligt. Die Hamas lehne den Plan bislang ab, hieß es in einer nächtlichen Mitteilung von Netanjahu. Sollte die Hamas ihre Position ändern, werde Israel Verhandlungen über alle Einzelheiten des Plans aufnehmen.
SARA LEMEL