Wahlsieger: Peter Tschentscher mit seiner Frau Eva-Maria auf der Bühne der Wahlparty. © AFP
Hamburg – Der Sieger wirkt nicht ekstatisch, eher nordisch-kühl und gefasst. Allenfalls erfreut kommentiert Peter Tschentscher seinen Wahlerfolg. „Ich bin sehr froh, dass wir in dieser Lage, in einem politischen Allgemeinzustand, der ja kritischer geworden ist, dass wir eine so klare demokratische Mitte haben“, sagt der 59-Jährige am Sonntagabend vor den Kameras. „Ich hoffe, dass wir das auch in eine gute Regierungsarbeit umsetzen können.“ Aber hetzen lassen will er sich bei der Regierungsbildung nicht: „Es geht so schnell, wie es geht.“
Dass es überhaupt geht, ist schon eine gute Nachricht für die demoskopisch sonst grob gebeutelte SPD. Aber in Hamburg hatte sich seit Wochen abgezeichnet, dass die Bürger ihrem regional recht populären Regenten, seit 2018 im Amt, vertrauen. Der Humanmediziner, verheiratet, ein Sohn, gebürtig und aufgewachsen in einem Bremer Brennpunktviertel, gilt als akribisch, ist selbst bei 61 Prozent der CDUler beliebt. Ja, die SPD verliert, und zwar erheblich gegenüber dem Ergebnis von 2020, aber sie ist mit über 33 Prozent in den Hochrechnungen der klare und ungefährdete Sieger.
Spannend wird da eher Platz 2. Damit verbunden ist zwar nicht zwingend eine Rolle als Juniorpartner in der nächsten Tschentscher-Koalition, aber ein Signal erhofft sich zumindest die CDU davon schon. Sie erholt sich von der dramatischen Wahlklatsche von 2020 – damals war die einst stolz regierende Partei mit Müh und Not zweistellig geworden. Jetzt nähert man sich den 20 an. CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering, der viele Stimmen von den Sozialdemokraten zurückholte, bietet der SPD sogar eine gemeinsame Koalition an, eine „starke“, wie der 40-Jährige betont. Er sei „in freudiger Erwartung“, dass es zu guten Sondierungsgesprächen zwischen SPD und CDU kommen werde.
Nun, die Erwartung ist in Wahrheit eher gering. Denn Tschentscher macht schon eine Stunde nach Schließung der Wahllokale klar, dass er zwar in alle Richtungen reden will, seine Priorität aber bei Rot-Grün sitzt. Die Menschen seien eben „überwiegend zufrieden“ mit Regierungsarbeit und -stil.
Es sieht also so aus, dass Katharina Fegebank Zweite Bürgermeisterin und Grünen-Senatorin bleibt. Sie sei „sehr erleichtert“, sagt sie in jedes Mikrofon, die Woche nach der Bundestagswahl sei unglaublich hart gewesen für die Grünen. Eine „verlässliche und vertrauensvolle“ Zusammenarbeit bietet sie Tschentscher an, Rot-Schwarz hingegen bedeute Stillstand. Die Regierungsmehrheit von Rot-Grün wäre nun allerdings weniger komfortabel als bisher. Seit 2020 verfügten beide Fraktionen im Rathaus über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die ist jetzt weg. Dennoch ist Rot-Grün in Umfragen die beliebtere Koalition.
Was noch wichtig ist in der Hansestadt: Die Linke wird erstmals in Hamburg zweistellig, auch hier vor allem dank junger Wähler, Tschentscher sieht in ihr aber keinen Partner. Die AfD legt ebenfalls zu, bleibt einstellig. FDP und das BSW scheitern deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde und werden sogar von Volt überholt. Die Wahlbeteiligung steigt auf rund 68 Prozent. Rund 1,3 Millionen Hamburger ab 16 Jahren waren wahlberechtigt.
Das Landesparlament hat regulär 121 Sitze. Die Zahl kann durch Überhang- und Ausgleichsmandate sowie Einzelbewerber steigen. Das genaue Ergebnis wird erst Montagabend erwartet, das Wahlrecht in Hamburg ist sehr demokratisch mit vielen Stimmen und Wahlmöglichkeiten – aber eben auch kompliziert. Landespolitische Themen bestimmten den Wahlkampf, insbesondere die Verkehrsprobleme in der Stadt und der Wohnungsbau wegen der hohen Mieten. Daneben spielten auch die Migration und die Ankurbelung der durch den Hafen geprägten Wirtschaft eine wichtige Rolle.
Diesmal kann selbst Scholz zufrieden sein
Tschentscher stand übrigens lange im Schatten seines Vorgängers, dem heutigen Kanzler Olaf Scholz, der 2018 ins Finanzministerium nach Berlin wechselte. Die Scholz-Jahre in Hamburg waren noch goldene Jahre für die Sozialdemokraten. Von 2011 bis 2015 reichte es sogar für eine Alleinregierung. Hamburg bleibe „in guten Händen“, sagte Scholz gestern Abend.
Für den Rest der Republik ist die Wahl indes nur von geringer Aussagekraft. Im Bundesrat – Hamburg hat hier 3 der 69 Stimmen – ändert sich nichts, sollte es bei Rot-Grün bleiben. Die Abstimmung ist die einzige Wahl auf Landesebene heuer. 2026 folgen Landtagswahlen in fünf Ländern mit zusammen rund 23 Millionen Einwohnern, und zwar in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.