Hubert Aiwanger (FW): Bremst er Bayerns Ja? © Weigel/dpa
Ein Vormittag beim (alten) Kanzler: Olaf Scholz trifft (v.l.) Lars Klingbeil, Alexander Dobrindt, Saskia Esken und Friedrich Merz im Kanzleramt in Berlin. © Guido Bergmann/dpa
Berlin/München – Es klingt fast fürsorglich. Wie der Kanzler emotional auf dieses Billionen-Paket reagiere, fragt ein Journalist, wo doch die Ampel im Vergleich dazu an Winzlingsbeträgen zerbrochen sei. Olaf Scholz lässt seinen Regierungssprecher vor laufenden Kameras ausrichten, er habe das „zur Kenntnis genommen“ und sei „beim Thema Emotionalität doch eher kein Kaltblüter“.
Das trifft nicht auf alle zu am Morgen nach der historischen Schulden-Einigung der wohl künftigen Koalitionäre von CDU, CSU und SPD. Die zwei Pakete schlagen hohe Wellen. Zum Inhalt: Die Schuldenbremse soll so gelockert werden, dass alle Verteidigungsausgaben nicht mehr dazuzählen. „Whatever it takes“, was immer nötig ist, gab CDU-Chef Friedrich Merz als Leitlinie aus. Außerdem wird ein neuer Schuldentopf von 500 Milliarden Euro aufgemacht, um zehn Jahre lang die Infrastruktur (Straßen, Schienen, Schulen, Kliniken) zu sanieren.
Es gibt parteiintern Murren, allerdings nicht allzu mächtig. Die Junge Union beklagt, das sei „aus Sicht der jungen Generation ein harter Schlag für die Generationengerechtigkeit“. Lieber bequeme Schulden als unbequeme Reformen, das sei die falsche Botschaft. Schwieriger für Merz und die SPD ist, dass die nötige Zweidrittel-Mehrheit für eine Grundgesetz-Änderung im Bundestag nicht steht. Das Parlament soll ja am 13. und am 17. März die Pläne beschließen, also noch der alte Bundestag.
Da hat die FDP noch mitzureden. Rechnerisch käme Schwarz-Rot-Gelb hauchdünn auf zwei Drittel (493 Abgeordnete, nötig 489). Ihr Noch-Fraktionschef Christian Dürr ist bei der Verteidigung gesprächsbereit. Er will aber die Schuldenbremse nicht ganz so locker fassen wie Schwarz-Rot. Außerdem kritisiert er hart den 500-Milliarden-Plan als „schuldenfinanziertes Sondervermögen für Infrastruktur, das alles Mögliche beinhaltet“.
Die Grünen, für eine kommode Mehrheit über 500 unumgänglich, werfen Merz Lug und Trug vor, weil er bis zur Wahl die Schuldenbremse predigte. Auch sie wollen reden, fordern aber Nachbesserungen. Beim Klimaschutz müsse das Finanzpaket „besser werden“. Der Realo-Flügel ist am ehesten ins Boot zu holen. „Im Großen und Ganzen scheint es mir vernünftig, was da ausgehandelt wurde“, sagt etwa Südwest-Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er fordert einen Tilgungsplan.
Auf Stimmen der politischen Ränder kann Merz nur hoffen, aber nicht setzen. Die Linke warnt vor einem „Wettrüsten“. Die AfD rügt, der Wählerwille werde „missachtet“, weil noch der alte Bundestag die Billion beschließe. Sie erwägt eine Klage, will die Anträge aber auch inhaltlich prüfen.
Union und SPD müssen also viel Überzeugungsarbeit leisten. Gerade der Kulturkampf gegen die Grünen könne sich jetzt noch bitter rächen, sagt ein hoher Unions-Mann unserer Zeitung. Persönliche Gespräche sind in Berlin angesetzt, beginnend mit mehreren Kurztelefonaten am Dienstagabend. Aus Passau versucht es CSU-Chef Markus Söder zudem mit düsteren Prophezeiungen. Er deutet an, dass ein noch massiverer Angriff Russlands auf die Ukraine mitsamt neuer Fluchtwelle dicht bevorstehe, wenn man nicht schnell militärisch liefere. „Ich kann nicht über Details reden“, sagt er beim Aschermittwoch. Nach allem, „was ich weiß, ist das alles viel näher“.
Auch im Bundesrat (wohl am 21. März) ist es für eine Zwei-Drittel-Mehrheit knapp. Union, SPD und Grüne kontrollieren nur 41 der 69 Stimmen. Voraussichtlich werden die BSW-mitregierten Länder Thüringen und Brandenburg nicht mit Ja stimmen, Sahra Wagenknecht droht Widerstand an. Lockend für die Länder: Sie sind mit 100 Milliarden Euro im Infrastruktur-Schuldentopf bedacht, und auch für sie wird die Schuldenbremse gelockert.
Für Bayern hätte das riesige Folgen: Das hieße, der Freistaat dürfte je nach Verteilungsschlüssel über zwei Milliarden Euro Schulden machen. Allerdings könnten auch die Freien Wähler im Bundesrat Ärger machen. Erste Reaktionen von Hubert Aiwanger auf das Schulden-Projekt sind sehr skeptisch. Er könnte, was ihm sehr klar ist, eine Enthaltung Bayerns im Bundesrat erzwingen.