Generalangriff auf die Wissenschaft

von Redaktion

„Wer wird dich heilen, wenn die Wissenschaftler weg sind?“, steht auf dem Schild eines Demonstranten am Lincoln Memorial in Washington. © Müller/dpa

München/Washington – „Ich glaube, Wissenschaft weiß gar nichts“: Das sagte Donald Trump schon 2020. Und sein Vize JD Vance erklärte Professoren ganz offen zu „Feinden“ und kündigte an, „für die Dinge, die wir tun wollen, müssen wir die Universitäten offen und aggressiv attackieren“. Das setzen die beiden jetzt in die Tat um: Trump kündigte am Dienstag an, die staatlichen Gelder für Bildungseinrichtungen zu kürzen, die „illegale Demonstrationen“ zuließen. Ausländischen Teilnehmern an solchen Protesten drohte er mit Abschiebung, US-Bürgern mit Exmatrikulation und Haftstrafen.

Der renommierten New Yorker Columbia University kürzte Trump unter dem Deckmantel von Antisemitismusvorwürfen bereits die Zuschüsse um 400 Millionen Dollar. Die Kürzungen seien „die erste Runde der Maßnahmen“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung der Regierungsbehörden weiter. Weitere Kürzungen der staatlichen Unterstützung für die Columbia University, die sich insgesamt auf rund fünf Milliarden Dollar beläuft, waren demnach zu erwarten. Zudem will Trump wie im Wahlkampf versprochen das Bildungsministerium insgesamt demontieren.

Jetzt wehren sich die Professoren und Studenten: Allein in Washington versammelten sich am Freitag mehr als 1000 Demonstranten. Auch in New York, Boston, Chicago und Madison gingen Forscher, Doktoren, Studenten und Ingenieure auf die Straßen. Die Demonstranten in Washington trugen Transparente mit Aufschriften wie „Geld für Forschung, nicht für Milliardäre“ und „Amerika wurde auf Wissenschaft erbaut“.

Besonders im Fokus der US-Regierung sind Klimaforschung und Medizin. Bei der zentralen Wetterbehörde NOAA wurden 1300 Mitarbeiter entlassen, 1300 Menschen bei der Gesundheitsbehörde CDC, mehr als 1000 bei der Arzneimittelbehörde FDA und mehr als 1200 beim Institut für Gesundheitsforschung (NIH). Da bislang 27 Prozent der weltweiten Forschungsergebnisse aus den USA kommen, hat das Folgen auch für Deutschland: Die NIH etwa ist für die Alzheimer- und Krebsforschung zentral. „Institutionen werden zerstört, und infolgedessen werden Menschen sterben“, sagte dazu der Friedensnobelpreisträger und Klimaforscher Michael Oppenheimer gegenüber dem ARD-Magazin „Monitor“. Die Daten der US-Wetterforscher sind wichtig für die weltweiten Vorhersagen, da sie jetzt plötzlich fehlen seien Wirbelstürme oder andere Extremwetterereignisse schwerer vorherzusagen.

Der aus Deutschland stammende Harvard-Professor Mathias Risse erklärte gegenüber unserer Zeitung: „Trump betrachtet Universitäten als seine Feinde, weil sich dort typischerweise Menschen befinden, die nicht auf Linie sind mit seinem Verständnis davon, wo es mit dem Land hingehen soll. Er verdreht dazu die Dinge und beschreibt emanzipatorische Maßnahmen etwa zur Unterstützung von Schwarzen oder zur Förderung von Frauen als unterdrückerisch, fast dämonisch.“ Risse fürchtet, dass die bisherigen Maßnahmen zur Zerschlagung der Wissenschaft erst der Anfang seien: „Trumps Dekrete werden vor Gericht beanstandet. Schlimmer wird es werden, wenn der Kongress dann Gesetze in diesem Bereich verabschiedet und dann auch die Einkünfte von Unis höher besteuert.“ Gesetze könne man gerichtlich viel schwerer anfechten als Verordnungen.

Viele US-Forscher wollen jetzt nach Europa, die Zahl der Bewerbungen aus den USA an deutschen Unis hat sich laut dem Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, verdoppelt.

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