US-Präsident Trump bei seiner Rede vor dem Kongress am 4. März im Kapitol. Hinten links Vize JD Vance. © Curtis/DPA
Washington – Es war die längste Rede zur Lage der Nation, die der US-Kongress am Dienstagabend jemals über sich ergehen lassen musste. Und es war gleichzeitig die größte Loyalitäts-Show, die Donald Trump für sich vereinnahmen konnte. Sechs Wochen nach Amtsantritt und nach einer Flutwelle von teilweise fragwürdigen und provokativen Entscheidungen, die auch von Gerichten hinterfragt werden, zeigte sich, wer der König in Washington ist. Die Volksvertreter der Republikaner applaudierten, nickten zustimmend und ließen den Präsidenten wissen: Von uns ist kein Widerstand zu erwarten. Nicht ein einziges Mal war auf den TV-Kameras das Kopfschütteln eines Konservativen zu sehen.
Die Kongressrede, aber auch die vorangegangenen Tage seit dem 20. Januar zeigen: Noch nie hatte Trump die Partei, die ihn einst als politischen Seiteneinsteiger ins höchste Amt beförderte, so fest im Griff. Offener Widerspruch findet sich nicht, stattdessen regieren Furcht vor dem Zorn des Wahlsiegers und Unterwerfung. Wie bei Marco Rubio, dem neuen US-Außenminister, der auch ein extrem elastisches Rückgrat mit ins Amt brachte. Denn wohl kein Präsidentschaftskonkurrent der Republikaner war früher von Trump so beschimpft worden wie der Ex-Senator aus Florida. „Little Marco“, kleiner Marco, war nur eine der Ausfälligkeiten. Doch auch Rubio zeigt sich loyal bis ins Mark – und wies im Auftrag Trumps kürzlich sogar den ukrainischen Präsidenten aus dem Weißen Haus.
Trump, schon immer ein Marketing-Genie für die eigene Person, scheint ein besonderes Konzept entwickelt zu haben, die Grenzen der Loyalität auszutesten. Je mehr und je ungenierter er lügt, desto mehr zwingt er seine Anhänger zum Ignorieren eben jener Lügen – und manövriert sie damit in eine besondere Abhängigkeit. Sein Kabinett wurde nach dem Loyalitäts-Faktor besetzt. Nur wer ihm – wie die Juristin Pam Bondi, heute Justizministerin, und Fox-News-Moderator und Verteidigungsminister Pete Hegseth – bedingungslos in den letzten Jahren den Rücken freihielt, bekam den Job. Dan Bongino, der stellvertretende FBI-Direktor, wurde Berichten zufolge vor allem deshalb eingestellt, weil seine wichtigste Leitlinie ist: Ich werde es den Demokraten zeigen. Gleichzeitig gelang es Trump, heimische „Oligarchen“ wie Amazon-Mogul Jeff Bezos und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gefügig zu machen. Solche Loyalität wird dann belohnt: Beide waren bei Trumps Amtseinführung prominent platziert.
Und Loyalität scheint auch das wichtigste Kriterium bei Neueinstellungen für leitende Positionen im US-Regierungsapparat zu sein. Wie die „Washington Post“ berichtete, müssen Bewerber für das FBI Fragen wie diese beantworten: Wurde die Präsidentschaftswahl 2020 gestohlen? Wer waren die wirklichen Patrioten in Washington am 6. Januar 2021, dem Tag der Kongress-Erstürmung durch Trump-Anhänger? Und: Wer ist Ihr wirklicher Chef? Wer als Jobaspirant früher für Trump-Kritiker gearbeitet oder in Sachen NATO und Ukraine Meinungen hatte, die von den Ansichten Trumps abwichen, hat ohnehin keine Chance auf Einstellung. Das Übergangsteam des Präsidenten unterzog mehrere tausend Beamte und Staatsangestellte einem Loyalitätstest, bevor Trump sein Amt antrat.
FRIEDEMANN DIEDERICHS