Ab heute wird es ernst

von Redaktion

So nah und doch so fern: Zwischen Robert Habeck und Markus Söder, den Grünen und der Union bleibt es schwierig. © SVEN SIMON

München – Am Mittwoch sind sie sich schon ganz nah. Markus Söder und Robert Habeck nehmen am ersten Tag der Handwerksmesse an einer Podiumsdiskussion teil, keine zwei Meter trennen sie. Doch der Eindruck, dass die Grünen und ihr scheidender Wirtschaftsminister auf der einen Seite sowie ihr schärfster Kritiker auf der anderen sich aufeinander zubewegen würden, kommt auch bei diesem Termin nicht auf. Habeck betont weiterhin seinen Widerstand gegen das geplante Finanzpaket von Union und SPD, Söder appelliert an die staatspolitische Verantwortung der Gegenseite. Alles wie gehabt.

Heute ist der Tag, an dem es ernst wird und die künftige Koalition erste, wichtige Ergebnisse erzielen will. Der Bundestag berät in erster Lesung über die drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben und über das Sondervermögen für die Infrastruktur. Auch Habeck räumt ein, dass die Zeit knapp ist. Aber er bezieht das ausdrücklich nur auf die Verteidigung, wo eine Entscheidung „nicht noch drei oder fünf Monate“ warten könne. Beim Sondervermögen, für das ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, will er die Entscheidung dem neuen Bundestag überlassen.

Am Vorabend hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt noch von „guten Gesprächen“ berichtet, machte aber da schon die Einschränkung, „dass das natürlich auch ein anspruchsvoller Weg ist“. So anspruchsvoll, dass er gestern Abend den Besuch am Nockherberg in München, für bodenständige CSU-Politiker eigentlich ein unverzichtbarer Pflichttermin, kurzfristig absagen muss. Zu intensiv sind die Verhandlungen in Berlin.

Weiterhin pochen die Grünen darauf, dass die künftige Große Koalition (falls man sie angesichts der geschrumpften Stimmenanteile noch so nennen mag) bei den Investitionen den Klimaschutz stärker in den Fokus nimmt. Der Vorwurf an Union und SPD lautet, mit einer Lockerung der Schuldenbremse Wahlversprechen zu finanzieren. „Sie werden von meiner Partei, auch von mir nicht erwarten, dass wir die Lüge zur Grundlage einer Zustimmung machen“, sagt Habeck. „Das wird nicht passieren.“ Söder hingegen verweist darauf, dass der Wahlkampf vorbei und die Zeit der Kompromisse angebrochen sei: „Es geht nicht um Koalitionen, es geht schlicht und einfach um Verantwortung.“

Die Anspannung wächst. Ein Scheitern des Finanzpakets wäre „ein riesiger Schaden für das Land und für die Demokratie“, warnt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Ein Scheitern des Finanzpakets möge er sich nicht vorstellen. Rheinland-Pfalz‘ Regierungschef Alexander Schweitzer sagt ähnlich drastisch: „Die Bundesregierung im Werden ist zum Gelingen verdammt.“

Zeitgleich starten heute die Koalitionsverhandlungen für Schwarz-Rot. Seit gestern stehen nun auch die SPD-Unterhändler fest. Einige Überraschungen sind dabei: Die noch amtierende Bundesinnenministerin Nancy Faeser darf nicht den Bereich Innenpolitik und Migration verhandeln. Sie wird in die Arbeitsgruppe Bürokratieabbau gesetzt, dort auch nur als Vize. Gesundheitsminister Karl Lauterbach soll zwar seinen Fachbereich verhandeln, aber auch nur als Stellvertreter; Gesundheit und Pflege handelt er mit seinem früheren CSU-Kollegen Klaus Holetschek aus. Arbeitsminister Hubertus Heil darf nicht den Bereich Arbeit/Soziales mitbesprechen, muss also auch nicht zuschauen, wenn CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann als Unions-Chefverhandler das Bürgergeld beerdigt. Allerdings klinkt sich auch Verteidigungsminister Boris Pistorius für die SPD nicht selbst in den Bereich Außen/Bundeswehr ein, das erledigt eine seiner Staatssekretärinnen.

Insgesamt sind 16 Arbeitsgruppen mit je 16 Köpfen vorgesehen. Eine diskret tagende 17. Runde soll die Arbeitsweise der Bundesregierung und eine mögliche Reform des Wahlrechts besprechen, heißt es aus der SPD. Über allem steht eine Steuerungsgruppe mit den Partei- und Fraktionschefs, darunter Friedrich Merz, Markus Söder und Lars Klingbeil. Sie sollen nach zehn Tagen die Zwischenergebnisse sammeln, bewerten und eindampfen. Läuft es optimal, denkt die Koalition an eine Unterschrift am 14. April und eine Kanzlerwahl am 23. April, beides in den Osterferien. Der Zeitplan gilt aber als sehr ehrgeizig.

Artikel 1 von 11