Ein Singspiel voller Rambozambo

von Redaktion

Friedrich Merz (David Zimmerschied) neben Michaela Kaniber (Judith Toth) und Doro Bär (Eli Wasserscheid). © ABR-Pictures (2)

Markus Söder (Thomas Unger) im Elvis-Kostüm.

Hubert Aiwanger (Stefan Murr) kocht an seiner Brennsuppe.

Ein Geldregen zum großen Finale: Links die Singspiel-Neulinge Heidi Reichinnek (Anja Straubhaar) und Saskia Esken (Natalie Hünig). © Stefan Matzke/sampics (4)

München – Friedrich Merz sieht rot. Er ertastet blind ein Wadl nach dem anderen. Welches Unterbein wird jetzt Koalitionspartner der CDU? Da stehen Robert Habeck, Christian Lindner, Saskia Esken und (warum auch immer) Hubert Aiwanger und halten dem künftigen Bundeskanzler zu Sondierungszwecken ihr Wadl hin. Bis die Linke Heidi Reichinnek Aiwanger wegschubst. Markus Söder berät Merz – bis Esken dran ist: „Darf ich vorstellen: die SPD. Der einzig mögliche Koalitionspartner.“ Merz nickt: „Jetzt kann‘s losgehen mit dem Politikwechsel.“

Mindestlohn, Mietpreisbremse, Bürgergeld, Kernkraft und natürlich die Grenzen. Alles kein Problem, solange einfach genug Geld zur Verfügung steht. Eine XXL-Konfettikanone wird zum Singspiel-Finale auf die Bühne gerollt. Geldscheine rieseln von der Decke. Alte und neue Regierung singen gemeinsam: „Die Stimmung ist kacke und die Lage ist kacke, doch wir reden uns jetzt ein. Mit Kohle und Moneten, mit Mäusen oder Kröten wird es halb so kacke sein.“

Zugegeben, in Zeiten wie diesen ist es herausfordernd, ein schmissiges Singspiel auf die Bühne zu bringen. Die Autoren Stefan Betz und Richard Oehmann setzen gut zwei Wochen nach der vorgezogenen Bundestagswahl auf Mantras wie „Ja, mei“. Sie arrangieren nach dem Motto: „The Show must go on“ – komme, was wolle. Da kommt es gelegen, dass im diesjährigen Stück sogar alles ein bisserl improvisiert wirken muss. Denn: Die CSU lädt ebenfalls vorgezogen zur großen Liveshow, die sich „Bayern feiert Friedrich Merz“ nennt und das ambitionierte Ziel verfolgt, am Ende eine nigelnagelneue Regierung zu präsentieren. Glatt läuft bei dem Mix aus Talentshow, Koch- und Kuppelsendung aber nix.

Die großartige Kulisse – ein weiß-blaues Fantasia-Land aus Lebkuchenherzen, Löwenkopf, Maibaum und Bergpanorama – ist (gewollt) klapprig. Eine Bühnenbildnerin pinselt noch am Märchenkönig und Neuschwanstein, als die Moderatorinnen Michaela Kaniber und Dorothee Bär ihr Studio betreten. Dieses doppelte Lottchen aus dem Heimatfilm trägt Dirndl mit XXL-Puffärmel, Spitzenstrümpfe und Dauergrinsen. Nettes Dekor, für die politische Bühne aber eher irrelevant. Das wissen die zwei aber: „Die Spitzenkandidaten sind die Jungs. Uns brauchen‘s nach der Wahl nur fürs Foto.“

Auch heute bleibt nur die Drecksarbeit: Das Licht hat einen Wackler, Regieanweisungen hören alle und die Pyrotechnik führt ein Eigenleben. Statt „Bayern feiert“ steht auf der Kulisse irgendwann nur noch „Bayern eiert“ – das f ist runtergeplumpst. Und als die Damen Söder auf die Bühne bitten, steht da plötzlich Merz in Janker und Charivari. Gut, sie zaubern ihm eine „mobile Showtreppe“ her – eine stinknormale Leiter. Los geht‘s mit „Rambozambo“ – auf das o legt Merz, gespielt von David Zimmerschied, Wert: „Schluss mit Gendern!“ Dann singt er von Demut, Bescheidenheit und wahrer Größe.

Söder, diesmal wieder Haudrauf im funkelnden Elvis-Kostüm, applaudiert: „Ich find‘s bewundernswert, was du in deinem Alter noch zu leisten versuchst.“ Merz kontert: „Demut, kleiner Pascha. Ich werde Kanzler und du postest dein Pausenbrot.“ Das lächelt Söder, gespielt von Thomas Unger, weg und steigt mit den Worten „Demut ist ein Gefühl, in dem man sehr gut baden kann“ auf eine noch größere Showtreppe, äh Leiter. „Ich bin der Demütiger!“, singt er. Die Band sitzt heuer in pinken Glitzer-Jacken direkt nebenan auf der Bühne und gibt als „Black Revolution“ so richtig Gas!

Im Singspiel bekommt jeder Politiker Sendezeit – mal mehr, mal weniger. Als die Anteile von der Regie verteilt worden sind, stand das Wahlergebnis wohl noch gar nicht fest. Deshalb bekommen auch Scholz, Lindner und Habeck noch Sendezeit. Die vielen Planungsvarianten merkt man dem Stück auch an. Trotzdem: Das Publikum applaudiert, lacht und singt viel mit. Etwa, wenn Aiwanger seine Brennsuppe kocht und sich von Habeck therapieren lässt.

Betz und Oehmann bitten spontan drei neue Charaktere auf die Bühne – und die bringen frischen Wind. Da sind Heidi Reichinnek, Saskia Esken als Herzblatt für Merz und eine blonde Frau auf einem Steckenpferdchen, die sehr nach Alice Weidel aussieht (hier leistet die Maske ganze Arbeit!). „Die kenn’ ich aus dem Bundestag. Eine echte Plage“, sagt Moderatorin Bär. Auch im Landtag gibt‘s die, meint Kaniber. „Die wiehern immer dazwischen.“ Und diese Reiterin bringt auch die Politiker auf dem Nockherberg gehörig durcheinander. Sie spricht kein Wort, galoppiert aber vorbei, sobald einer ins Schwadronieren gerät.

Wer könnte in diesen krisenhaften Zeiten helfen? Krieg, Naturkatastrophen, Terror und Populismus: Eine Lösung gegen diese bedrohliche Apokalypse liefern Betz und Oehmann selbstverständlich nicht. Aber als es am Ende Geld regnet, schwingt da die Sehnsucht nach so einer Art Erlöser mit. Ob es Friedrich Merz ist?

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