Proteste in Serbien: „Korruption tötet“

von Redaktion

Hunderttausende auf Belgrads Straßen – Setzten Sicherheitskräfte eine Schallkanone ein?

Die Wut entlädt sich: Demonstranten skandieren Slogans während einer Großdemo in Belgrad. © Armin Durgut/dpa

Belgrad – In Serbiens Hauptstadt Belgrad haben so viele Menschen wie noch nie seit Beginn der Protestwelle im November gegen Korruption und die Regierung von Präsident Alexander Vucic demonstriert. Zwischen 275 000 und 325 000 Teilnehmer protestierten nach Angaben eines unabhängigen Beobachternetzwerks am Samstag, das Innenministerium gab die Zahl der Teilnehmer mit 107 000 an. Ausschreitungen blieben aus.

Vucic sagte in einer Rede an die Nation, „99 Prozent“ der Studenten seien während der Kundgebung friedlich geblieben. Tags zuvor hatte er betont, dass er sich nicht unter Druck setzen lasse. Er werde es nicht zulassen, „dass die Straße die Regeln diktiert“. Auch die Staatsmedien hatten den Ton verschärft. Die Studenten planten einen „Putsch“, hieß es.

Die von Studenten angeführten Proteste hatten nach dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs in der Stadt Novi Sad am 1. November begonnen, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen. Das Unglück befeuerte die Wut über die Korruption in Serbien, die Proteste richten sich inzwischen auch gegen die Regierung von Präsident Vucic. „Korruption tötet“, lautet der Schlachtruf der Demonstranten.

Die serbische Regierung steht wegen der Proteste unter wachsendem Druck. Ende Januar erklärte Ministerpräsident Milos Vucevic seinen Rücktritt. Vucic ruft abwechselnd zum Dialog auf oder macht, wie Kremlchef Putin, ausländische Einmischung für die Proteste verantwortlich.

EU und UN hatten Belgrad aufgerufen, das Demonstrationsrecht zu respektieren und Gewalt zu vermeiden. Zeugen und Oppositionelle berichteten indes, die Sicherheitskräfte hätten am Samstagabend eine Schallkanone gegen Demonstranten eingesetzt. Auf Videos ist zu sehen, wie eine Menschenmenge plötzlich auseinanderstiebt, Zeugen berichteten laut Medien von einem schmerzhaften Geräusch. Das Innenministerium bestreitet den Einsatz von Schall.

Für die Großproteste reisten Menschen aus dem ganzen Land in die Hauptstad. Landwirte, Studenten und andere Bürger standen entlang der knapp zwei Kilometer langen Demo-Strecke. „Wir haben gezeigt, dass der Wandel möglich ist, solange wir zusammen kämpfen“, rief eine Studentin von der Bühne.

„Wir sind vor allem auf den Straßen, um unsere vollständige Unzufriedenheit nach Jahren der Diktatur, Gesetzlosigkeit und Korruption zum Ausdruck zu bringen“, sagte der 28-jährige Belgrader Ognjen Djordjevic. „Das ist magisch. Das ist Serbien, das wahre Serbien, das wir wollen“, sagte die 70-Jährige Moma Milovanovic. Parallel machten in der Nähe des Parlaments auch die Anhänger der Regierung mobil.

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