„Trump irritiert“: Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. © dpa
München – Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist eine der profiliertesten Politikerinnen des Landes. 2008 bis 2014 war sie Erste Bürgermeisterin von Düsseldorf. Im Bundestag machte sie sich als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses für die Ukraine stark. Seit 2024 leitetet sie den gleichen Ausschuss im EU-Parlament. Ein Gespräch über Trump, Putin und Merz.
Donald Trump verstört Europa. Spüren Sie in Brüssel ein Zusammenrücken im Parlament?
Trump irritiert und verstört in der Tat, milde ausgedrückt, denn er sagt heute dieses und morgen jenes und tags darauf etwas ganz anderes. Und alles nicht gerade Europa zugeneigt. Ja, das lässt uns zusammenrücken.
Ist das jetzt das Ende des westlichen Bündnisses?
Das transatlantische Bündnis, wie wir es jahrzehntelang kannten und auf das wir uns verlassen haben und in dem meine Generation sozialisiert worden ist, gehört der Vergangenheit an. Es wird eine andere Beziehung werden, selbst wenn Trump einmal Geschichte ist. Wir sollten der Realität ins Auge schauen, die Beziehung pragmatisch aufrechterhalten, so gut es eben geht und mit den Abgeordneten beider Häuser im Gespräch bleiben.
Was heißt das für Europa?
Schon Bill Clinton und Barack Obama forderten von den Europäern, mehr für ihre Verteidigung zu tun. Das hätten wir bereits nach dem ersten Angriff Russlands auf die Ukraine 2014 tun müssen. Erst jetzt, und das ist fahrlässig genug, bewegt sich Europa. Erstmals gibt es einen EU-Kommissar für Verteidigung, erstmals im EU-Parlament einen entsprechenden Ausschuss. Es folgen Vorschläge von der Kommissionspräsidentin von der Leyen, Geld in die Hand zu nehmen.
Wird die EU nach der Wirtschafts- und Politikunion jetzt auch eine Verteidigungsunion?
Dazu müssten die Verträge angepasst werden, denn Verteidigung liegt in der Hand der einzelnen Nationen. Europa zu verteidigen, geht über die EU hinaus, denn von den 32 Nato-Staaten sind 29 europäisch. Neben den 23 EU-Mitgliedern zählen auch sechs weitere europäische Länder dazu. Hier wird es also in Europa grundsätzlich eine viel engere Kooperation geben müssen. Das hat auch den Vorteil, dass wir diesbezüglich keine einheitliche Abstimmung im EU-Parlament brauchen. Das ist insofern wichtig, als dass uns dann ein Land wie Ungarn nicht mehr blockieren kann. Viktor Orbán zeigt den europäischen Staaten, obwohl er von der EU immens viel Geld bekommt, ja regelmäßig den Mittelfinger.
Eine Aufgabe dieser Koalition könnte eine Absicherung der Ukraine sein.
Die Grenze zwischen der Ukraine und Russland beträgt 2300 km. Diese zu schützen, um zu verhindern, dass Russland nach einem Waffenstillstand erneut die Ukraine angreift, bedürfte mindestens 150000 Soldaten. In dieser Dimension bietet sich eigentlich nur ein UN-Mandat an.
Haben Sie Hoffnung?
Wladimir Putin ist weder an einem Waffenstillstand interessiert noch an einem Frieden. Er äußert sich bereits jetzt, dass er fremde Truppen in der Ukraine nicht akzeptieren würde. Was macht da Hoffnung? Putin träumt von einer Sowjetunion 2.0. Dazu gehört seiner Vorstellung nach, unabdingbar die komplette Ukraine. Er artikuliert das unmissverständlich. Die Frage wird sein, ob Donald Trump dies zulässt. Bisher ist das Gegenteil der Fall. Der US-Präsident akzeptiert doch bereits die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die russische Übernahme der Ostukraine. Damit hat er Putin bereits große Freude bereitet und seinen brutalen Angriff legitimiert. Die vollmundige Ankündigung, den Frieden binnen 24 Stunden zu erreichen, spielt offensichtlich auch keine Rolle mehr.
Droht Europa zwischen den Polen Trump-Putin zerrieben zu werden?
Die völkerrechtswidrige Grenzverschiebung spielt sich im Herzen Europas ab. Deswegen sind wir ganz sicher keine Zaungäste. In der EU leben 450 Millionen Menschen, also deutlich mehr als in den Vereinigten Staaten und in Russland. Die Kraft liegt bei uns, wenn wir uns endlich darauf besinnen, wieder wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu werden und einheitlicher aufzutreten.
Glauben Sie, dass Friedrich Merz hier eine Führungsrolle einnimmt?
Wenn er die Führungsachse Paris-Berlin-Warschau wieder aktiviert, sollte das gelingen. Das erwarten übrigens auch die anderen EU Staaten von uns!
Ist Merz europapolitisch besser als Olaf Scholz?
Olaf Scholz war in der EU eine einzige Fehlanzeige. Er war für Europa nicht zu begeistern. Und wenn er da war, schwieg er.
Und wie blickt Europa auf Merz?
Neugierig. Dass Deutschland Geld für die Verteidigung in die Hand nehmen will, wird freudig wahrgenommen. Dass Deutschland allerdings eine Billion Schulden machen will, erfreut vor allem Staaten wie Frankreich und Italien, die seit Jahren ohne rot zu werden eine hohe Staatsverschuldung haben.
Sie klingen skeptisch.
Ich hoffe sehr, dass Friedrich Merz im Vergleich zu Olaf Scholz in Europa den Unterschied macht. Er könnte Geschichte schreiben. Mir kommen aber zunehmend Zweifel, wenn ich sehe, wie Herr Merz sich in den letzten 14 Tagen verhalten hat. Er lässt sich nicht nur von der SPD über den Tisch ziehen, er latscht auch wie ein Elefant durch den bundesdeutschen Porzellanladen.