Bosnien vor historischer Herausforderung

von Redaktion

Sarajevo – Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik treibt seit Jahren seinen separatistischen Kurs voran. Jetzt ist der Präsident der Republika Srpska dabei, zur Tat zu schreiten: „Wir sind bereit, das zu Ende zu bringen“, warnt Dodik. Es droht die Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien und Herzegowina und damit die größte Herausforderung für den Staat, der seit dem Ende des Krieges in der Westbalkanregion 1995 auf tönernen Füßen steht. Experten schätzen die Lage so ein: „Entweder Dodik oder Bosnien.“

Auslöser der jetzigen Eskalation war die Verurteilung von Dodik Ende Februar durch den bosnischen Gerichtshof in Sarajevo zu einem Jahr Haft wegen Missachtung der Entscheidungen des Hohen UN-Repräsentanten in Bosnien und Herzegowina, des Deutschen Christian Schmidt (CSU). Das Gericht entschied gleichzeitig, dass der 66-jährige Serbenführer sechs Jahre lang kein öffentliches Amt ausüben darf.

Der Hohe Repräsentant hat die Aufgabe, über die Einhaltung des Friedensabkommens von Dayton von 1995 zu wachen, mit dem der Bosnienkrieg endete. In dieser Funktion hat er weitreichende Befugnisse bis hin zur Änderung von Gesetzen. Damit ist der Hohe Repräsentant ist dem Nationalisten Dodik schon lange ein Dorn im Auge. Immer wieder beleidigt er Schmidt, dessen Legitimität er nicht anerkennt.

Kurz nach Dodiks Verurteilung durch den Gerichtshof begann die Eskalation gegenüber dem bosnischen Zentralstaat und dem Hohen Repräsentanten. Das Parlament der Republika Srpska verabschiedete Ende Februar eine Vorlage, wonach Justiz und Polizei des bosnischen Zentralstaates im überwiegend von Serben bewohnten Teilgebiet ihre Aufgaben nicht mehr ausführen dürfen. Dodik rief bosnische Serben in den Behörden des Zentralstaats zudem auf, ihre Posten zu verlassen und stattdessen den Institutionen der Republika Srpska beizutreten. Daraufhin leitete die bosnische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Dodik wegen „Angriffs auf die verfassungsmäßige Ordnung“ des Staates Bosnien und Herzegowina ein.

Das Parlament in Banja Luka verabschiedete vor wenigen Tagen schließlich ein Gesetz zum „Schutz der Verfassungordung der Republika Srpska“ und einen Entwurf für eine neue Verfassung für das Gebiet. Demnach soll die Republika Srpska „der Staat des serbischen Volkes und aller Bürger, die dort wohnen“, sein. Die neue Verfassung, zu der eine öffentliche Debatte und die Abstimmung noch folgen sollen, sieht auch ein „Recht auf Selbstbestimmung“ der serbischen Teilrepublik vor sowie die Schaffung einer eigenen Armee und das Recht, „Föderationen oder Konföderationen mit Nachbarn oder anderen Staaten oder Staatengruppen“ einzugehen – ein kaum verschleierter Hinweis auf eine Annäherung an das verbündete Serbien.

Der pro-russische Dodik, dem Kritiker regelmäßig Korruption vorwerfen, kündigte zudem die Schaffung einer „Sonder“-Justiz an, um die verfassungsmäßige Ordnung der Republika Srpska zu schützen.

All diese Schritte bedeuteten „die größte Herausforderung für Bosnien-Herzegowina seit dem Ende des Krieges“, sagt der Politikwissenschaftler Veldin Kadic von der Universität Sarajevo. Washington und Brüssel haben das Vorgehen von Dodik scharf kritisiert. Die europäische Stabilisierungsmission Eufor, die bisher aus 1500 Soldaten bestand, verstärkte bereits ihre Kräfte um 300 Mann.

Artikel 4 von 11