Nicht jedes Übel kann man Donald Trump anlasten, aber eines ist schon klar: Seit seiner Rückkehr knallen im globalen Club der Autokraten die Korken. Dass sich Recep Tayyip Erdogan ermutigt fühlt, seinen politischen Hauptkonkurrenten kaltzustellen, dürfte mitunter damit zusammenhängen, dass er keine Kritik vom größten Nato-Partner fürchten muss. Auch Europa, das die Türkei als militärischen Partner braucht, hält sich bedeckt.
Die Sterne stehen, wenn man so will, günstig für Erdogan und sein noch unfertiges Projekt, die Türkei vollends in eine Autokratie zu verwandeln. Istanbuls landesweit beliebter Bürgermeister Ekrem Imamoglu ist ihm dabei seit Langem die größte Gefahr. Deshalb versuchte der Langzeitpräsident 2019 mithilfe der regierungsnahen Wahlkommission, den Sieg des CHP-Mannes in Istanbul zu kippen. Deshalb ließ er ihn vor der Präsidentschaftswahl 2023 mit einem Politikverbot belegen. Und deshalb wurde Imamoglu nun kurz vor seiner Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten unter absurdem Vorwand verhaftet. Erdogan lässt alle Skrupel fallen, weil er ahnt, dass er Imamoglu unterliegen könnte.
Und nun? Druck von außen muss Erdogan derzeit nicht fürchten. Auf Gerechtigkeit von innen kann Imamoglu angesichts einer nicht mehr unabhängigen Justiz kaum zählen. Die Türken selbst werden ihr Recht einfordern müssen und sie tun es trotz eines Demonstrationsverbots. Das immerhin ist ermutigend.
MARCUS.MAECKLER@OVB.NET