KOMMENTARE

Es geht jetzt um Merz‘ Glaubwürdigkeit

von Redaktion

Koalitionsgespräche ruckeln

Heute Held, morgen Depp: Das Auf und Ab in unserer aufgeregten Stimmungsdemokratie geht immer schneller. Und Friedrich Merz durchfliegt seit dem Wahlabend die Phase des freien Falls. Das plump gebrochene Schulden-Wahlversprechen, das 100-Milliarden-Geschenk an die Grünen und die in Kernfragen ruckelnden Koalitionsverhandlungen lassen seine Wähler – und das waren eh schon weniger als erwartet – zweifeln. Kann er‘s?

Womöglich ist die Antwort darauf offen. Doch wer Merz aus welchen Motiven auch immer scheitern sehen will, sollte wissen, was nachkommt: keine grüne oder rote Renaissance, kein friedlicher Führungswechsel in der Union, sondern eine zur stärksten Partei und vielleicht Fraktion aufsteigende AfD. Umso dringender ist, dass aus diesen Koalitionsverhandlungen noch ein Erfolg wird. Der Weg dahin führt jetzt, wo der finanzielle Rahmen so riesig ist, über zwei wesentliche Grundfragen, die den Menschen signalisieren können, dass sich wirklich was bessert: Bürgergeld und Migration.

Beide Themen sind finanziell wichtig, da geht es um Milliardeneinsparungen für den Bundeshaushalt, die Länder und die Kommunen, die ja die Folgen von falscher Politik konkret ausbaden müssen. Beide Themen gefährden, wenn sie (weiterhin) schlecht gesteuert werden, den gesellschaftlichen Frieden. Vor allem aber sind das die Schlüsselfragen für die Bewertung, ob Merz als Kanzler Glaubwürdigkeit hat und ob seine Koalition einen Neuanfang wirklich will.

Merz muss hier liefern. Das Zeitfenster für ein Umsteuern gibt es nur jetzt – in den Koalitionsverhandlungen mit einer SPD, in der die helleren Köpfe verstanden haben, dass ihre eigene Basis woanders steht als die Parteilinken. Besinnt sich die deutsche Sozialdemokratie auf ihre Rolle als Kämpfer für die Arbeitenden, muss sie einen Totalumbau des Bürgergelds und ein Ende der ungesteuerten Migration mit harten, auch symbolkräftigen Entscheidungen (Nachzug! Afghanistan-Programme! Abschiebung!) nicht nur ertragen, sondern anstreben. Die Union hat dann den Spielraum, sich zum Beispiel bei Mindestlohn und Mieterschutz zu bewegen.

Diese Koalition braucht klare, teils wechselseitig schmerzhafte Ergebnisse. Formelkompromisse, vernuschelte und halbgare Mittelwege, wären der Anfang vom Ende dieses Bündnisses. Eine solche Koalition hält keine drei, vier Jahre durch.

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