Eisiges Objekt der Begierde

von Redaktion

Bodenschätze, Aufklärung, Schifffahrt: Nicht nur die USA haben Interesse an der Arktis

Grönland, im Bild die Hauptstadt Nuuk, hat nur 56 000 Einwohner, zieht aber gerade viele Blicke auf sich. © Odd Andersen/AFP

München – Als wäre die Angelegenheit nicht schon bizarr genug, spricht Donald Trump nun auch noch von einem „Zeichen der Freundlichkeit“. So verklärt er die Grönland-Reise, die sein Vizepräsident J.D. Vance und Ehefrau Usha am Freitag angetreten haben. Fast überall auf der Welt wird der Trip als eine weitere unter vielen Provokationen gesehen. Nur nicht im Weißen Haus.

Schon vor Jahren hat der US-Präsident unverhohlen Ansprüche auf die riesige Insel angemeldet, seit seinem Wiedereinzug ins Weiße Haus treibt er das Thema aggressiv voran. Trump raunt von „nationalem und internationalem Interesse“ und will den Eindruck erwecken, Grönland sei bedroht und brauche einen starken Freund. Viele Menschen würden dort „gerne sehen, dass etwas passiert, damit sie angemessen geschützt und versorgt werden“. Ein typischer Trump. Denn gleichzeitig sagt er auch, die Vance-Delegation sei eingeladen worden. Dass das nicht stimmt und man den Besuch als Zumutung empfindet, haben die Grönländer mehr als deutlich gemacht.

Den ungebetenen Gästen ist das egal. Grönland ist aus vielen Gründen ein Objekt amerikanischer Begierde. So lagern im Boden wertvolle Rohstoffe, die bisher kaum genutzt werden. Laut dem staatlichen Geologischen Dienst Dänemarks und Grönlands verfügt die Insel über 36,1 Millionen Tonnen Seltener Erden. Allerdings gelten nur 1,5 Millionen Tonnen davon als tatsächlich abbaubar. Außerdem gibt es Vorkommen von Lithium, Grafit und Kupfer sowie fossile Brennstoffe. Die Öl- und Gasvorkommen werden auf etwa 28,43 Milliarden Barrel Öläquivalent geschätzt. Aus ökologischen Gründen gab es aber noch nie eine industrielle Bohrung.

Auch geografisch ist die Insel bedeutsam. Während des Zweiten Weltkriegs errichteten die USA hier Militärstützpunkte, von denen einer, Pituffik im Nordwesten, bis heute im Betrieb ist. Er ist vor allem zu Aufklärungszwecken wichtig. Russische Schiffe und U-Boote, die unterwegs in den Atlantik sind, werden von hier erfasst. Auch die deutlich zunehmende chinesische Präsenz auf Schifffahrtsrouten entlang der grönländischen Küste lässt sich von Pituffik aus verfolgen. Aufgrund des Klimawandels und des Abschmelzens arktischer Eismassen werden immer mehr Seewege in der Region zugänglich.

Trump ist nicht der einzige Staatenlenker, der den strategischen Wert der Region schätzt. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte diese Woche die Stationierung weiterer Soldaten an. Bei einem Arktisforum in Murmansk forderte er, den Bau und die Renovierung von Garnisonsstädten in der Polarzone voranzutreiben. Dies gehe einher „mit der Verstärkung unserer militärischen Komponente“.

Russland, sagt Putin, werde so seine Rechte auch gegenüber der Nato durchsetzen, deren Vertreter den Norden „immer öfter als Brückenkopf möglicher Konflikte benennen“ würden. Trumps Gelüste solle niemand als „extravagante Rhetorik“ abtun: „Es ist offensichtlich, dass die USA weiterhin systematisch ihre geopolitischen, militärisch-politischen und wirtschaftlichen Interessen in der Arktis forcieren werden.“
MARC BEYER

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