Regionale Unterschiede: Eine junge Frau aus Kamerun sitzt für die Vorregistrierung hinter einer Glaswand im Büro eines Behörden-Mitarbeiters in Eisenhüttenstadt. © Gordon Welters/KNA
München/Berlin – Wer in Deutschland Asyl beantragt, kann sich kostenlos und unabhängig beraten lassen. Das geht auf einen Gesetzesvorstoß von Bundesinnenministerin Nancy Faeser zurück. Die Idee dahinter ist, dass Asylbewerber eine größere Kooperationsbereitschaft an den Tag legen, wenn sie es nicht direkt mit dem Staat zu tun haben, sondern von unabhängigen Einrichtungen durch das teils komplexe Verfahren begleitet werden. Behörden-Schreiben verstehen, Fristen einhalten, Papiere besorgen – um solche Dinge soll es gehen. Auch rechtliche Fragen können erörtert werden. Der Staat fördert die Angebote.
Aktuelle Zahlen zeigen, dass dieses Ende 2022 eingerichtete Angebot auch immer besser angenommen wird. Machten 2023 bundesweit noch rund 33 000 Asylsuchende von der Beratung Gebrauch, waren es 2024 mehr als doppelt so viele – nämlich etwa 75 000, teilt die Bundesregierung in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion mit. Und das, obwohl die Zahl der gestellten Asylanträge in Deutschland gleichzeitig um rund 30 Prozent zurückgegangen ist (2024: 229 751 Erstanträge, 21 194 Folgeanträge).
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußert dennoch Kritik. Zwar sei es wichtig, dass Asylbewerber eine Beratung erhielten, mit der sie das System verstehen und ihre Chancen realistisch einschätzen können. Es sei aber ein Fehler gewesen, dass die Ampel-Regierung die „gut funktionierende Asylverfahrensberatung“ durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ab 2022 aufgeteilt hat. Denn: „Seitdem gibt es nur noch eine Grundinformation durch das Bamf als erste Stufe und eine individuelle Beratung durch die Träger der freien Wohlfahrt als zweite Stufe“, sagt Herrmann unserer Zeitung. Und diese zweite Stufe sei „mit einem bundesweiten Haushaltsansatz von derzeit lediglich 25 Millionen Euro völlig unterfinanziert“.
Zudem sei das Misstrauen gegen das Bamf, das mitschwinge, wenn die neue Konstruktion als „behördenunabhängig“ bezeichnet werde, „völlig fehl am Platz“. Herrmann spricht sich deshalb dafür aus, die Beratung künftig wieder aus einer Hand durch das Bamf durchzuführen, und die eingesparten Mittel der Bundesmigrationsberatung, die alle neuen Zuwanderer nutzen können, zukommen zu lassen.
Angeboten wird die Beratung nahezu flächendeckend. Einzige Ausnahmen: In Düsseldorf und Mönchengladbach sei die Beratung durch vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Projekte sichergestellt. Für den Bamf-Standort im niederbayerischen Deggendorf wurde laut Bundregierung „nach intensiver Suche kein geeigneter Träger gefunden, der die Aufgabe wahrnehmen wollte“. Auch hier merkt Herrmann an: „Wenn das Bamf wieder die Asylverfahrensberatung komplett übernimmt, gibt es auch keine weißen Flecken mehr.“
Wessen Asylantrag abgelehnt wird, der kann dagegen klagen – hatte damit 2024 aber seltener Erfolg als in den Jahren zuvor. Lediglich 18 Prozent setzten sich im vergangenen Jahr vor Gericht gegen eine Entscheidung des Bamf durch. 2023 waren es noch 24,4 Prozent gewesen. 2022 lag die gerichtliche Aufhebungsquote bei den Verfahren bei 36,5 Prozent. Nicht nur Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, ziehen vor Gericht. Auch Asylbewerber, die subsidiären Schutz erhalten haben, klagen manchmal – etwa Syrer, die ihre Familienangehörigen nachholen wollen, und das zuletzt nur noch eingeschränkt durften. Dass weniger Klagen durchgekommen sind, könnte auch mit der gesunkenen Zahl der Asylanträge zusammenhängen. Denn so war offenbar eine gründlichere Bearbeitung der Verfahren möglich.
Auffällig ist zudem, dass es in der Entscheidungspraxis regionale Unterschiede zu geben scheint. Während etwa 98,6 Prozent der Menschen aus Somalia in München eine Form von Schutz erhielten, lag die Gesamtschutzquote für Antragsteller aus Somalia im brandenburgischen Eisenhüttenstadt bei 50 Prozent. Auch bei Antragstellern aus Afghanistan, die in der Mehrheit der Bamf-Büros zu über 90 Prozent einen Schutzstatus erhalten, weicht Eisenhüttenstadt (60,8 Prozent) deutlich ab. Die Erklärung der Bundesregierung, dass es dort einen niedrigeren Anteil weiblicher Schutzsuchender aus Afghanistan gebe, überzeugt die Linkspartei nicht. „Ich möchte mal wissen, was in Eisenhüttenstadt los ist“, sagt Linken-Abgeordnete Clara Bünger.