Verurteilt, aber nicht resigniert: Le Pen will in Berufung gehen. Rechtspopulisten aus ganz Europa unterstützen sie. © Thomas Padilla/dpa
München/Paris – Einen Tag nach ihrer Verurteilung holt Marine Le Pen zum Gegenschlag aus: „Das System hat die Atombombe rausgeholt. Wenn sie eine solche mächtige Waffe gegen uns einsetzen, dann natürlich vor allem, weil wir kurz davor sind, die Wahlen zu gewinnen“, sagt sie. Das Gerichtsurteil vom Montag verbietet es der Rechtspopulistin, bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2027 zu kandidieren. Doch geschlagen gibt sich Le Pen, das viel beschworene „Schreckgespenst“ der liberalen Demokratien Europas, durch diesen Paukenschlag noch nicht.
„Ich bin nicht bereit, mich so einfach einer Verweigerung der Demokratie zu unterwerfen“, erklärt sie. „Kein Richter kann beschließen, sich in eine so wichtige Wahl wie die Präsidentschaftswahl einzumischen, noch dazu unter Verletzung der Rechtsstaatlichkeit.“ Sie werde in Berufung gehen. Die Vorsitzende des rechtsextremen Rassemblement National (RN) hält das Urteil für undemokratisch und politisch motiviert, versteht sich als Opfer der französischen Justiz.
Rechtspopulisten aus ganz Europa teilen diese Meinung und stellen sich hinter die 56-Jährige. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán postet auf X: „Je suis Marine!“ („Ich bin Marine!“) – in Anlehnung an den Spruch, mit dem sich Menschen weltweit mit den Mitarbeitern des von einem Terroranschlag getroffenen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ solidarisch erklärten. Aus Italien bekommt Le Pen ebenfalls Rückendeckung. „Niemand, dem die Demokratie am Herzen liegt, kann sich über ein Urteil freuen, das die Chefin einer großen Partei trifft und Millionen von Bürgern ihrer Vertretung beraubt“, sagt die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
„Ich bin geschockt über das unglaubliche harte Urteil“, erklärt der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders. Er ist jedoch optimistisch, dass Le Pen ein mögliches Berufungsverfahren gewinnen kann, und glaubt, dass Le Pen gute Chancen hat, schließlich doch noch Präsidentin von Frankreich zu werden. Das zuständige Pariser Gericht erklärte gestern, es strebe eine Entscheidung über die Berufungsanträge bis Sommer 2026 an.
Auf der anderen Seite des Atlantiks hält auch US-Präsident Donald Trump das Urteil für „eine große Sache“. „Sie darf fünf Jahre lang nicht kandidieren, und sie war die Spitzenkandidatin – das klingt sehr nach diesem Land“, sagt er und spielt damit auf die zahlreichen Gerichtsverfahren gegen ihn in den vergangenen Jahren an. Auch der Kreml sieht die Verurteilung der Rechtspopulistin als Verstoß gegen demokratische Regeln. „Unsere Beobachtungen in den europäischen Hauptstädten zeigen, dass man keineswegs zurückhaltend ist, im politischen Prozess die Grenzen der Demokratie zu überschreiten“, so Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Le Pens Partei mobilisiert derweil zu einem frankreichweiten Protest. „Wir werden in den nächsten Wochen überall vor Ort sein. Denjenigen, die sich von der Demokratie abwenden wollen, werden wir zeigen, dass der Wille des Volkes am stärksten ist“, kündigt der Chef des Rassemblement National, Jordan Bardella, an. Er rufe die Franzosen zu einer „friedlichen Volksmobilisierung“ auf. Am Wochenende sollen die Proteste beginnen. Bardella prangert zudem die „Tyrannei der Richter“ an. „Es wird alles getan, uns daran zu hindern, an die Macht zu kommen.“ Das könne nicht hingenommen werden.
Obwohl die Mehrheit der Franzosen Le Pens Verurteilung für gerecht hält, ist Europas „Schreckgespenst“ also noch nicht von der politischen Bildfläche vertrieben. „Ich lasse mich nicht einfach so ausschalten“, sagt die Populistin.