Die Kirchen, Hüter der Frohbotschaft, sind in eigener Sache recht demütig geworden. Als gute Nachricht wurde unlängst verkündet, das Tempo der Austritte habe kein neues Rekordhoch erreicht. Die nicht schöngeredeten Zahlen sind unerquicklich: 2024 kehrte eine Million Menschen den Kirchen den Rücken. Und jetzt hat Deutschland erstmals mehr Konfessionslose als Kirchenmitglieder. Das ist erklärbar. Aber erschreckend.
So wie viele im Lauf des Lebens zu Gott finden, brechen auch etliche damit; das sind meist gereifte Entscheidungen. Doch die Mehrheit der Abgänger wendet sich nicht vom Glauben ab, sondern von der Kirche. In vielen Fällen geht es hier nicht um Gottvertrauen, Hoffnung, Zweifel, sondern ums Geld – die Kirchensteuer. Wenn das Leben massiv teurer wird, der Staat die Lohnnebenkosten hebt und Steuern nicht senkt, treibt das Menschen aus der Kirche, oft in den ersten Berufsjahren. Manchmal gibt auch ein Ärgernis den letzten Ausschlag: Skandale, Trägheit, Reformverweigerung, gerade auf evangelischer Seite die zu starke parteipolitische Neigung der Führenden. Nichts daran ist gut, denn unsere erkaltende Gesellschaft braucht die Kirchen dringend. Kaum jemand kann ihr soziales Werk ersetzen, viel davon im Ehrenamt. Eine schwache Kirche bietet weniger Halt, Orientierung und Werte.
Wir können uns emsig erregen über öffentliches Fastenbrechen, Kopftücher, den in der Tat steigenden Einfluss des Islam. Der Ruf, eine auch christlich geprägte Leitkultur zu erhalten, passt aber überhaupt nicht zur Wurstigkeit, mit der wir uns von den Kirchen lossagen und ihre Symbole und Werte im Alltag verdrängen. Es geht nicht um Kulturkampf oder Gegeneinander – sondern darum, für eigene Werte (dazu gehört: Toleranz) mehr einzustehen. Es braucht das doppelte Umdenken: Die Institution Kirche kann sich ihre Fehler und ihre Verkrustung nicht mehr leisten. Und die Christen können sich ihre Gleichgültigkeit und ihr Desinteresse nicht mehr leisten.