Für US-Produkte wie Erdnussbutter, Jeans, Whiskey und Motorräder sind bald Zölle fällig. Die EU will nach Trumps Rundumschlag weitere Waren mit einbeziehen. © dpa
München – Robert Habeck neigt nicht zu Trump‘schen Übertreibungen, deshalb hat das, was er am Donnerstag sagt, eine gewisse Wucht. Nur Stunden zuvor hat der US-Präsident gewaltige Zölle für die ganze Welt angekündigt, auch 20 Prozent auf Waren aus Europa. Das sei „durchaus vergleichbar“ mit dem Tag der russischen Invasion in die Ukraine, sagt der Wirtschaftsminister. Die Antwort müsse stark ausfallen. „Wir werden sehen, wer bei diesem Armdrücken der Kräftigere ist.“
Es ist eine von vielen klaren Reaktionen auf Trumps Zoll-Rundumschlag, der heftiger ausfällt als gedacht. Auch Manfred Weber, Chef der Konservativen im EU-Parlament, spricht von einem „schwarzen Tag“. „Wir müssen jetzt klarstellen, dass wir uns von Trump nicht herumschubsen lassen“, sagte er unserer Zeitung. „Unsere Reaktion muss entschieden, aber besonnen sein.“
Stärke zeigen, aber nicht eskalieren. Ähnlich drückt es auch Ursula von der Leyen aus. Man bereite sich auf Gegenmaßnahmen vor, sagt die Kommissionschefin, aber für Verhandlungen sei es nicht zu spät. Tatsächlich ist die Hoffnung, Trump im Gespräch zu besänftigen, allerdings gering. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic, der unlängst zu Gesprächen in Washington war, zweifelte danach öffentlich am Kompromisswillen der US-Regierung. Er muss es wissen: Keine zwei Tage nach seinem angeblich guten Besuch verhängte Trump deftige Autozölle, auch gegen EU-Hersteller.
Nun also der nächste Hammer, den der US-Präsident überschwänglich als „Tag der Befreiung“ feiert. Die EU schlittert nicht unvorbereitet in diese Situation. Sie ist zuständig für neue Zölle, muss aber die entstehenden Belastungen für die Mitgliedstaaten und ihre Bürger austarieren. Deswegen bereitet sie sich seit Monaten auf einen Handelskonflikt vor. Ergebnis: Eine rund 100 Seiten lange Liste mit US-Produkten, die im Gegenzug mit Zöllen belegt werden könnten. Man wolle verhältnismäßig reagieren, heißt es aus Brüssel, nach den Regeln der Welthandelsorganisation – auch wenn Washington sie ignoriere.
Die Gegenzölle seien derzeit in der Endabstimmung, sagt Weber. „Wir werden sie in den nächsten ein bis zwei Wochen scharfstellen.“ Sie sind fein austariert und folgen zwei Kriterien. Erstens müssen die betroffenen Produkte für Europa leicht anderswo zu besorgen sein. Zweitens sind sie besonders auf Waren aus republikanischen Staaten zugeschnitten. Den Effekt sollen vor allem Trump-Wähler zu spüren bekommen. Betroffen sein könnten Motorräder, Rindfleisch oder Sojabohnen.
Längst stehen aber auch andere Forderungen im Raum, etwa höhere Steuern oder Strafmaßnahmen gegen Digitalkonzerne wie Google, Netflix oder X, die Elon Musk und die anderen Milliardäre rund um Trump treffen würden. Das wäre zu rechtfertigen. Denn während die USA einen europäischen Handelsüberschuss bei Waren wie Autos beklagen, gilt das umgekehrt auch für digitale Dienstleistungen aus Amerika. Weber hält straffere Maßnahmen für möglich, aber erst im zweiten Schritt, sofern die Gespräche mit Washington nichts bringen.
Zur Not hat Brüssel noch eine besonders scharfe Waffe im Köcher, das „Anti-Coercion Instrument“ (ACI). In Brüssel sprechen sie von der Bazooka. Das ACI, während Trumps erster Amtszeit erdacht, bevollmächtigt die Kommission unter bestimmten Umständen, den Wirtschaftsaustausch mit einem Drittstaat in Teilen oder auch ganz zu stoppen. Das aber ist kompliziert und würde breiten Schaden anrichten. Es ist quasi die Notfallwaffe.
Vorerst bleibt ein wenig Hoffnung auf ein Einlenken Trumps, auch durch den Druck seiner Basis. „Es ist eine große Wette, die er eingeht“, sagt Weber, warnt aber vor zu viel Optimismus. Europa müsse sich handelspolitisch auf Zeiten einstellen, in denen Amerika sich stark nach innen wendet. Darin liegt zugleich die Chance, den Handel mit anderen Regionen zu stärken. Das EU-Abkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gehört dazu, die Verhandlungen mit Indien laufen gut. Europa, sagt Weber, habe die „Chance, der Leuchtturm fairer Handelsbeziehungen zu werden“.