GAST-KOMMENTAR

Verachtung für echten Wettbewerb

von Redaktion

Der Motor des Fortschritts ist der Wettbewerb. Charles Darwin sah ihn am Werk in der Natur. Adam Smith erkannte seine wohlstandsfördernde Wirkung in der Wirtschaft. Sportbegeisterte staunen über die Leistungen, zu denen er unsere besten Sportler anspornt. Und als Universitätsprofessor sehe ich den Wissensfortschritt, der durch frei konkurrierende Argumente gefördert wird, ob in den Geistes-, Sozial-, Bio- oder und Naturwissenschaften.

Wo der Wettbewerb behindert wird, verlangsamt sich der Fortschritt oder er wird sogar rückgängig gemacht. Die großen Zivilisationen Chinas und Japans litten einst unter den Auswirkungen eines mangelnden Wettbewerbes, die aus einer selbst auferlegten Isolation erfolgten. Als die „schwarzen Schiffe“ aus Europa und Amerika vor ihren Küsten erschienen, waren sie schutzlos ausgeliefert und mussten ihre Märkte für den globalen Handel, einschließlich des süchtig machenden Opiums, das aus Britisch-Indien eingeschmuggelt wurde, öffnen.

Als Kuba nach einer Periode der Isolation infolge der Castro-Revolution versuchte, in den 1990er-Jahren in die internationalen Basketball-Wettbewerbe zurückzukehren, musste es feststellen, dass es weit hinter den Weltstandard zurückgefallen war. Das Land, das in den 1950er-Jahren zu der Spitzengruppe gehörte, hat entscheidende Entwicklungen in der Spieltechnik verpasst.

Im Unterricht sehe ich die Auswirkungen der ideologiebasierten Erziehung an Austauschstudierenden aus autoritären Ländern, die sich in einer Seminar-Debatte nur schwer behaupten können. Allzu oft ist ihre Antwort auf eine von mir gestellte sokratische Frage: „Was sagt der Professor?“

Und so ist das Ergebnis der gestern von Donald Trump angekündigten massiven Erhebung der Zölle ebenso offensichtlich wie tragisch. Denn Protektionismus verschont die eigene Industrie vor der Konkurrenz im Ausland. Trumps Rückkehr zu einer kruden Form des Merkantilismus, wie er vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in vielen Teilen Europas praktiziert wurde, wird Amerika und die Amerikaner ärmer, dümmer und weniger gut vorbereitet zurücklassen. Sie werden weniger Auswahl genießen und am Ende mehr Geld für schlechtere Produkte bezahlen.

Aber es ist noch schlimmer. Hätten wir Glück, wäre das Ergebnis einer isolierten Wirtschaft bloß ein unnötig langsames Wachstum. Doch Trumps Verachtung für Wettbewerb erstreckt sich über die Wirtschaft hinaus. Seine Bemühungen, die freie Meinungsäußerung einzuschränken, seine Angriffe auf die Unabhängigkeit der Institutionen, sein Versuch, Kultureinrichtungen unter die Kontrolle politischer Verbündeter zu stellen, seine Bemühungen, die Einreise nicht nur illegalen Einwanderern zu verweigern, sondern auch andersdenkenden Ausländern, werden nicht nur zu höheren Preisen für minderwertige Waren führen. Sie bergen auch die Gefahr, dass sich der amerikanische Geist verschließt.

Der Autor

Der in München lebende US-Amerikaner Prof. James W. Davis ist Politik-Professor in St. Gallen.

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