Schön verschwiegen sein! Bis zum Schluss drang aus den Verhandlungen der Parteispitzen von Union und SPD kaum etwas nach draußen. © HANNIBAL HANSCHKE/epa
Berlin/München – Wenn Markus Söder auf ein prächtiges Foto verzichtet, muss Größeres im Spiel sein. Für morgen hat der Ministerpräsident jedenfalls die feierliche Wiedereröffnung der Venusgrotte im Schlosspark Linderhof abgesagt, Termingründe. Koalitionsrunde statt Königsgrotte: Söder musste in Berlin das Bündnis ausverhandeln, der Öffentlichkeit präsentieren und den eigenen Leuten erklären. Das geht vor.
Seit gestern gibt es ein Ergebnis, doch damit sind noch längst nicht alle Fragen beantwortet, der Terminkalender bleibt bis auf Weiteres voll. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, einigten sich am Abend CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag. Heute Mittag soll er in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Nach Recherchen des Portals „Table.Media“ gab es bei der Migrationspolitik bereits am Montag eine Einigung. Hart verhandelt wurde demnach bis zum Schluss vor allem um steuer- und haushaltspolitische Fragen. Details sickerten in den Stunden nach der Einigung nur wenige durch, es war allerdings davon die Rede, dass es für untere und mittlere Einkommen Entlastungen geben solle, schrittweise ebenso für Unternehmen. Bis zuletzt hatte die SPD darauf beharrt, die Reichensteuer zu erhöhen. Die Union machte das aber von einer gleichzeitigen Absenkung bei Unternehmenssteuern abhängig.
Unklar ist die Verteilung der Ministerien. Über die wurde gestern noch verhandelt, Einzelheiten wurden aber bis zum späten Abend nicht bekannt. Erst recht drangen keine Namen an die Öffentlichkeit. Die sind auch für die heutige Präsentation nicht unbedingt zu erwarten.
Nach lange schleppendem Verlauf ging es am Ende also etwas zügiger als erwartet. Tagsüber hatte Thorsten Frei, ein Vertrauter von CDU-Chef Friedrich Merz, noch gesagt, man habe „viele Stolpersteine schon aus dem Weg räumen können“. Wann genau der Koalitionsvertrag fertig sei, hänge „von der Dynamik der letzten Stunden ab“. Danach wurde es dann tatsächlich dynamisch
Vor allem für Merz hing viel davon ab, mit dem Koalitionsvertrag die Stimmung in CDU und CSU zu drehen. Dort gärte es seit Tagen, immer stärker wuchsen die Zweifel, ob Merz gegen die SPD wirklich eine Politikwende durchsetzt oder nur eine Schuldenorgie. Mehrere Politiker forderten zudem mehr Mitsprache ein. An der Spitze: Johannes Winkel, der Bundesvorsitzende der Jungen Union, der indirekt damit drohte, in den CDU-Gremien den Vertragsentwurf abzulehnen – und sogar gegen Merz stichelte: „Die CDU ist kein Kanzlerwahlverein mehr.“ Dass Merz eine gestern Abend geplante Aussprache mit der JU ebenso absagen musste wie Söder sein Grottenfoto, entspannte die Lage zunächst nicht. Aber immerhin, am Ende stand ein Ergebnis, auf das die Beteiligten lange hatten warten müssen
Öffentlich verlangten zwei CDUler aus der zweiten/dritten Reihe ein neues Format, um den Koalitionsvertrag in der Partei zu beraten. Die Bundestagsabgeordnete Inge Gräßle aus Baden-Württemberg forderte eine Mitgliederbefragung, das würde die CDU „innerparteilich befrieden“, sagte sie dem „Tagesspiegel“: „Es ist an der Zeit, demokratische Prozesse zu leben, statt präsidiales Vorgehen zu pflegen“, sagte Gräßle. Auch der brandenburgische CDU-Landeschef Jan Redmann will in jedem Fall eine starke Mitgliederbeteiligung. Der sächsische CDU-Landtagsabgeordnete Christian Hartmann fordert Regionalkonferenzen.
Bisher war der Plan, dass in der SPD die Mitglieder entscheiden; in der CDU nur ein „Bundesausschuss“, das sind ein- bis zweihundert Berufspolitiker; in der CSU nur der Parteivorstand, gut vier Dutzend Politprofis. Faustregel: Je kleiner und exklusiver das Gremium, desto weniger Frust bekommen die Parteivorsitzenden ab. Zumal Merz plant, die Minister-Namen erst nach der Kanzlerwahl zu nennen. Die SPD befragt dagegen alle Mitglieder – digital dürfen sie rund um Ostern zehn Tage lang abstimmen. Die Zugangsdaten wurden postalisch verschickt. Nun hoffen sie, dass das alle technisch hinbekommen.