Ein Junge auf einem zerstörten Schulhof in Gaza Stadt. © afp
Tel Aviv/Gaza – Donald Trump lässt nicht locker. Als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Montagabend neben ihm sitzt, schwärmt der US-Präsident vom Gazastreifen oder genauer: seiner Vision davon. Das Gebiet sei ein „unglaublich wichtiges Stück Grundbesitz“, sagt Trump. Er verstehe nicht, warum Israel es jemals aufgegeben habe. Dann spricht er von US-Truppen, die den Küstenstreifen „kontrollieren und besitzen“ sollten. Netanjahu pflichtet ihm bei. Das sei eine „mutige Vision“.
Man weiß nicht genau, wie gut Trump über die aktuellen Zustände in Gaza Bescheid weiß. Die Realität in jenem Gebiet, das er „Grundbesitz“ nennt, spitzt sich einen Monat nach dem Ende der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas aber gefährlich zu.
Wegen der israelischen Blockade seien seither keine humanitären Hilfsgüter mehr nach Gaza gelangt, erklären mehrere UN-Organisationen in einem mehr als besorgten Schreiben. Gut 2,1 Millionen Menschen seien eingeschlossen, würden bombardiert und ausgehungert, „während sich an den Grenzübergängen Nahrung, Medizin, Treibstoff und Hilfsgüter stapeln“. Die Nahrungsvorräte gingen zur Neige, das Gesundheitssystem stehe vor dem Kollaps. Die Zahl der Toten und die der Flüchtlinge steige. Die Anführer der Welt müssten dringend handeln.
Zu den Unterzeichnern des Schreibens zählen unter anderen UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher und die Exekutivdirektorin des Kinderhilfswerks Unicef, Catherine Russell. Sei zeigen sich darin auch besorgt über das Vorgehen der israelischen Armee. „Wir sind Zeugen von Kriegshandlungen in Gaza, die ein völliges Missachten menschlichen Lebens zeigen“, heißt es. Das dürfte unter anderem auf die 14 palästinensischen Rettungskräfte anspielen, die Ende März von Israels Truppen getötet wurden.
Die von den USA, Katar und Ägypten vermittelten Gespräche über eine neue Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas laufen zwar weiter. Derweil dringt die Armee aber immer weiter in den Gazastreifen ein. Experten befürchten inzwischen eine „versteckte Agenda“ der rechtsnationalen Regierung um Netanjahu. Anfangs sei es darum gegangen, enormen Druck auf die Hamas auszuüben, um sie in den Verhandlungen in die Defensive zu bringen, sagte Michael Milshtein von der Universität Tel Aviv. Inzwischen nähere man sich aber einer „Wiedereroberung Gazas“, womöglich der Errichtung einer Militärverwaltung.
Sicher ist: Die Netanjahu-Regierung ist von Trumps Idee einer Entvölkerung des Gazastreifens sehr angetan. Kurz nachdem der US-Präsident seinen Plan, aus Gaza eine „Riviera des Nahen Ostens“ zu machen, erstmals publik gemacht hatte, ließ sie einen Plan zur „Evakuierung“ der Palästinenser erarbeiten. Netanjahu selbst stellt es inzwischen so dar, als lasse man den Palästinensern die Wahl. Die Frage ist aber, wie frei die Entscheidung zum Verlassen des Gebiets ist, wenn man das Leben dort unmöglich macht.
MMÄ/DPA