Populisten untereinander: Donald Trump bezeichnet Giorgia Meloni als „fantastische Frau“. Doch seine neue Zollpolitik trifft auch Italien hart. © Filippo Attili/AFP
München – Seit ihrem Amtsantritt hatte Giorgia Meloni ausländischen Medien keine Interviews gegeben, doch jetzt soll offenbar die ganze Welt zuhören: Die italienische Ministerpräsidentin findet es „kindisch“ und „oberflächlich“, wenn jemand von ihr erwartet, dass sie sich zwischen Europa und den USA entscheiden muss. Sie könne stattdessen „Brücken bauen“, versichert sie gegenüber der „Financial Times“. Dafür müsse sie nur ihre Beziehungen zu Donald Trump spielen lassen.
Und die sind außergewöhnlich gut. Nächste Woche, am Gründonnerstag, wird die 48-Jährige den US-Präsidenten im Weißen Haus besuchen. Meloni, Post-Faschistin und einstige Mussolini-Anhängerin: Als die Chefin der rechtsextremen Fratelli d‘Italia im Oktober 2022 zur Ministerpräsidentin gewählt wurde, hatte das noch viele Beobachter in der EU beunruhigt – immerhin schimpfte sie regelmäßig über die „Bürokraten aus Brüssel“. Doch nun ist sie Europas Hoffnungsträgerin im Zollstreit mit den USA. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach Meloni kürzlich eine „wichtige Rolle“ in Europa zu. „Ihr direkter Kontakt zu Trump ist positiv.“
Auch wenn der US-Präsident gestern bestimmte Zölle überraschend wieder aussetzte und die Strafabgaben für die betreffenden EU-Staaten auf zehn Prozent halbierte (siehe Seite 6), trifft sein Schlingerkurs Italien genauso wie alle anderen EU-Staaten. Womöglich hatte sich Meloni eine Sonderbehandlung gewünscht, immerhin war sie als einzige europäische Regierungschefin zu seiner Amtseinführung eingeladen. Der US-Präsident ist ein großer Fan von ihr, schwärmte gar, Meloni sei eine „fantastische Frau“, die „Europa im Sturm erobert hat“.
Meloni gibt sich gerade aber alles andere als stürmisch. Während sich die EU-Staaten an einer 66 Seiten langen Liste mit Gegenzöllen abarbeiten, ruft Meloni zu Besonnenheit auf: „Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir einfach instinktiv reagieren“, sagt sie der „Financial Times“. „Bleibt ruhig, Leute. Lasst uns nachdenken.“ Donald Trump gibt sie für seine Kritik an Europa auch teilweise recht. „Ich verstehe einen Anführer, der seine nationalen Interessen verteidigt“, sagt sie. „Ich verteidige meine.“ Das sei es, so Meloni, was die beiden verbindet.
Auf die selbst ernannte Brückenbauerin kommt am Donnerstag ein schwieriger Balanceakt zu: Einerseits wird sie sich gegenüber Trumps Zoll-Politik verständnisvoll zeigen, im Oval Office den richtigen Ton anschlagen müssen. Doch gleichzeitig bezeichnet sie die US-Zölle als „absolut falsche Entscheidung“. Für Italien als Wein-Exporteur sind die Zölle eine Katastrophe. Im vergangenen Jahr hatte das Land einen Handelsüberschuss von 40 Milliarden Euro mit den USA – der dritthöchste in der EU nach Deutschland und Irland.
Die italienische Zeitung „Corriere della Sera“ berichtete, Meloni habe in Absprache mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit Trump eine Halbierung der Zölle aushandeln wollen – die Entscheidung des US-Präsidenten nimmt das nun vorweg. Ob das etwas an Melonis Reiseplan ändert, ist ungewiss. Von der Leyen selbst ist mit ihrem Null-für-Null-Zoll-Angebot auf Industriegüter bei Trump bereits abgeblitzt. Auf die Frage, ob der Vorschlag für ihn ausreichend sei, sagte er: „Nein, ist er nicht.“ Brüssel sollte stattdessen deutlich mehr LNG-Gas aus den USA kaufen. Ähnliche Andeutungen hat auch der italienische Außenminister Antonio Tajani gemacht. Italiens beste Strategie sei es, mehr US-Gas zu importieren, meint Tajani.
Offen bleibt indes, ob Meloni in Washington in erster Linie auf einen Deal zugunsten Italiens pocht oder tatsächlich als Botschafterin Brüssels auftritt. Auch Letzteres sieht nicht jeder in der EU positiv: Der französische Industrieminister Marc Ferracci warnte etwa, dass Melonis Besuch die europäische Geschlossenheit im Zollstreit untergraben könnte.