Der Kreml lässt mehr als 30 ukrainische Zivilisten töten – und besitzt tags darauf die Chuzpe, vor einer „weiteren Eskalation“ des Krieges zu warnen. Das ist so grotesk, dass es schmerzt, aber in Putins manipulativer Logik eskalieren eben immer nur die anderen. In diesem Fall Friedrich Merz, der unter dem Eindruck der jüngsten russischen Grausamkeit die Bereitschaft erneuert hat, der Ukraine Taurus-Raketen zu liefern. Das wiederum macht Hoffnung, dass mit dem neuen Kanzler auch ein robusterer Ukraine-Kurs in Berlin Einzug hält.
Merz, der Europa Führung versprochen hat, bleibt im Grunde keine andere Wahl. Denn während der Kreml mit seinen Angriffen auf Zivilisten deutlich zeigt, dass er auf Verhandlungen pfeift, dokumentieren die neuen USA einmal mehr, dass sie als Partner für uns ausfallen. Schändlicherweise fällt dem US-Präsidenten zum Massaker vom Sonntag nicht viel mehr ein, als dass es ein Fehler war. In Merz‘ Ankündigung, sich beim Taurus nur mit den europäischen Partnern absprechen zu wollen, ist die neue Realität schon eingepreist.
Europa steht am Scheideweg: Es kann Putin zu Verhandlungen zwingen, indem es die Ukraine an den nötigen Stellen (nicht nur beim Taurus) schnell mehr unterstützt. Oder es muss auf den gutgläubigen US-Kurs einschwenken. Dass Letzteres zu nichts führt, ist gerade zu besichtigen.