Blaue Wand: Die AfD-Fraktion ist im neuen Bundestag deutlich gewachsen. © Kay Nietfeld/dpa
München – Neulich musste Klaus Holetschek mal wieder flitzen. Der CSU-Fraktionschef im Landtag sprach gerade mit Journalisten, als die Glocke durchs Maximilianeum hallte. Abstimmung – wer sie sausen lässt, zahlt Strafe. Auch dann, wenn das Ergebnis schon vorher klar ist. Einmal mehr ging es nämlich darum, ob die AfD künftig einen Vizepräsidenten im bayerischen Parlament erhält. Einmal mehr wurde ihr Kandidat von den anderen Parteien abgelehnt. So geht das seit November 2018, als die AfD zum ersten Mal als Fraktion im Landtag Platz nahm.
Holetschek findet das richtig. „Eine Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, kann niemals so sein wie jede andere“, sagt er unserer Zeitung. Und bei der Vizepräsidentenwahl handle es sich für die Abgeordneten um eine Gewissensentscheidung. Holetscheks eigenes Gewissen hält dabei „Abgeordnete, die mit Verfassungsfeinden gemeinsame Sache machen, für ungeeignet, das Parlament zu repräsentieren oder hohe Ämter zu übernehmen“. Genauso sehe er es beim Ausschussvorsitz. „Deswegen haben wir im Bayerischen Landtag keine Abgeordneten der AfD in diese Positionen gewählt.“ Doch der CSU-Fraktionschef sagt auch: „Das darf aber keine leere Floskel oder schlecht begründete Gewohnheit werden.“
Es geht natürlich um die Äußerungen von Jens Spahn (CDU), der eine hitzige Debatte eröffnet hat, indem er gegenüber „Bild“ vorschlug „mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“. Einzig bei der Vizepräsidentenfrage war Spahn zurückhaltend. Auch im Bundestag ging die AfD dabei zuletzt wieder leer aus.
Die zweitstärkste Kraft im Bundesparlament beansprucht dort darüber hinaus die Vorsitz-Posten in mehreren Ausschüssen sowie einen Platz im Geheimdienst-Ausschuss Parlamentarisches Kontrollgremium. Die Politik müsse anerkennen, „wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt haben“, sagt gleichzeitig Spahn.
Das bringt nicht nur die SPD auf, deren Generalsekretär Miersch Spahns Sichtweise für „grundfalsch und für sehr, sehr gefährlich“ hält. Auch CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, stellvertretender Vorsitzender im Parlamentarischen Kontrollgremium, ist der Meinung, die AfD sollte „zumindest in sicherheitsrelevanten Ausschüssen keinen Vorsitz haben (…) und nicht im Parlamentarischen Kontrollgremium und im Vertrauensgremium, wo es um unsere Nachrichtendienste geht, vertreten sein“.
Wie normal – oder nicht – kann es also zugehen beim parlamentarischen Umgang mit einer in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften Partei? „Jens Spahn reklamiert für seine Position zu Recht, dass jedes Parlament dies neu und aus den jeweiligen Umständen entscheiden muss“, sagt Holetschek. „Dabei geht es auch um die Glaubwürdigkeit des Parlamentarismus und des politischen Betriebs.“ Andere gehen weiter. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagt, die AfD müsse im Parlament die Rechte bekommen, die auch für andere gelten, um sie „raus aus der Märtyrerrolle“ zu bekommen. Philipp Amthor (CDU) findet, man solle die Rechtspartei nicht „durch parlamentsrechtliche Kniffe“ zurückdrängen, sondern durch „eine leidenschaftlich-inhaltliche Auseinandersetzung“. Auch die stellvertretende CDU-Chefin Karin Prien plädiert zwar für eine „zivilisierte Verachtung“ der AfD. Sie betont aber auch: „Die Abgeordneten sind demokratisch gewählt.“ Deshalb sei es wichtig, die Geschäftsordnung sehr genau einzuhalten.
Sehr kritisch sehen Spahns Vorstoß die bayerischen Grünen. „Die AfD ist keine normale Oppositionspartei – sie ist in Teilen gesichert rechtsextrem, demokratiefeindlich und gefährlich“, sagt Fraktionschefin Katharina Schulze unserer Zeitung. „Dass sie demokratisch gewählt ist, ändert daran nichts.“ Man müsse nur nach Amerika schauen, wie schnell demokratische Systeme erschüttert würden. „Und die AfD macht keinen Hehl aus ihrer Trump-Verehrung.“