Das Ende der Realo-Ära

von Redaktion

Den Grünen zu rechts, dem Wähler zu links: Robert Habeck zieht sich nun zurück. © imago

München – Im Grunde hat er seinen Rückzug längst angekündigt. Robert Habeck ringt um die richtigen Worte, als er Anfang des Monats auf einem kleinen Parteitag in Berlin seine Wahlschlappe zu erklären versucht. Er habe einen „riskanten Ansatz“ gewählt, sagt er vor knapp 100 Delegierten. Er habe versucht, „Allianzen zu schmieden, die über die eigene Parteiüberzeugung hinausgehen“. Und er habe erwartet, dass der Bürger ihn dafür belohnen würde. Die „ehrliche und harte Antwort“ lautete aber: „Dieses Mandat ist mir nicht gegeben worden.“

Nun zieht er offenbar Konsequenzen: Der Mann, der kürzlich noch das Kanzleramt anvisierte, soll sich aus der Politik zurückziehen, gibt nach nur einer Legislatur sein Bundestagsmandat auf. Das berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf Parteikreise. Demnach will Habeck nur bis zur parlamentarischen Sommerpause im Parlament bleiben – sie beginnt Ende Juni, spätestens im Juli.

Die Allianzen, von denen Habeck spricht, hat es am Ende nie gegeben. Als er einige Wochen vor der Bundestagswahl seinen 10-Punkte-Plan zur Migration vorgelegt hatte, war das ein Angebot an die Union: strengere Asylpolitik, konsequentere Abschiebungen, mehr Befugnisse für die Polizei. Äußerst ungrüne Forderungen, mit denen er sich Friedrich Merz annähern wollte (und was Markus Söder zu verhindern wusste). Seine eigene Partei hat er damit erschüttert. Aus dem linken Flügel der Partei hieß es, der Robert bediene sich nun an rechten Narrativen, normalisiere gar rassistische Debatten.

Es sind vor allem jene Stimmen, die ohnehin schon lange über ihren Spitzenkandidaten geschimpft haben. Die von einem Putsch sprachen, als der Realo-Flügel im Herbst die gesamte Grünen-Spitze zum Rückzug trieb, damit allein Habeck die Partei in den Wahlkampf führen konnte. So manch einer spottete von einem „Bündnis Robert Habeck“.

Doch der Wirtschaftsminister hat es mit seinem Küchentisch-Wahlkampf nicht geschafft, seinen Traum einer grünen Volkspartei zu realisieren. Auf ihn folgt nun Mayra Vriesema, eine junge Grüne, gerade mal 25 Jahre alt, die wie Habeck aus dem Landesverband Schleswig-Holstein stammt. Laut dem „Spiegel“ wird sie ab September sein Bundestagsmandat übernehmen. Demnach haben die beiden schon öfter darüber gesprochen.

Der scheidende Vizekanzler überlässt seinen Platz damit einer Nachwuchspolitikerin, die gerade noch im Hörsaal sitzt: Vriesema studiert internationale Politik und internationales Recht im Master in Kiel, will aber wohl fertig werden, bevor sie ihr Mandat antritt. Sie stand bei der Bundestagswahl auf Platz fünf der Landesliste. Auf Instagram macht sie sich für bezahlbare Mieten in Schleswig-Holstein stark, bislang wohl ihr Herzensthema.

„Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu internen Überlegungen und etwaigen Personalfragen nicht äußern kann“, sagte Vriesema dem „Spiegel“. Von der Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann, hieß es, Habeck wolle sich künftig im Auswärtigen Ausschuss „um das Verhältnis Deutschland–USA kümmern“. Ein vorzeitiges Ende sei „nicht besprochen“. Wie ein Dementi klingt beides nicht. Auch von Habeck selbst kam noch kein klares Statement. Seine Sprecherin meinte nur, Habeck habe sein Mandat ja „erst mal“ angenommen. Mehr könne sie nicht sagen.

Der 55-Jährige hatte bereits direkt nach der Wahl angekündigt, bei den Grünen keine wichtige Funktion mehr anzustreben – sein Bundestagsmandat werde er aber antreten, hieß es noch damals. Kurz darauf wollten ihn mehr als 400 000 Menschen mit einem offenen Brief zu einem Verbleib in der Spitzenpolitik überreden. „Hoffnungsträger dürfen nicht gehen“, hieß es darin fast flehentlich. Und: „Deutschland, Europa und die Welt brauchen dich.“

Doch die Ära Habeck ist zu Ende. Und damit womöglich auch die Zeit der Realo-Politik bei den Grünen. Auf dem kleinen Parteitag in Berlin sagte er, er gehe „versöhnt“ aus dem Wahlkampf. „Es war mir eine Ehre.“ Dann trat er von der Bühne und nahm seine langjährige Weggefährtin und Rivalin, Annalena Baerbock, in den Arm. Auch sie wird sich erst mal anderen Aufgaben widmen: Im September will die Noch-Außenministerin nach New York ziehen, um für ein Jahr Präsidentin der Uno-Generalversammlung zu werden.

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