Am Wochenende schmerzte das zähe deutsche Interregnum besonders: Während vor der imposanten Kulisse des Vatikans die politischen Führer der westlichen Welt zusammenkamen, stand Deutschland nur am Rande. Der Fast-nicht-mehr Kanzler Olaf Scholz war zwar da, hat aber nichts mehr zu sagen. Sein Nachfolger Friedrich Merz blieb den Feierlichkeiten fern.
Höchste Zeit, dass die neue Regierung heute mit der Bekanntgabe der Unionsminister Gestalt annimmt. Quälend lange zieht sich die Mitgliederbefragung der SPD hin, obwohl die Abstimmung doch digital erfolgt und mit einem Mausklick erledigt sein müsste. Während sich die Genossen dafür zwei Wochen Zeit nehmen, entscheidet die Welt über Krieg und Frieden, über Zölle und Wirtschaftskrisen. Und in Deutschland klettert die AfD in jeder Umfrage, weil die Menschen das Gefühl haben, dass auch zwei Monate nach der Wahl nichts vorangegangen ist. Diese Trödelei passt nicht mehr ins digitale Zeitalter.
Heute nun will Friedrich Merz endlich offen sagen, mit welchem Team er in die Legislaturperiode startet. Gerade die Besetzung des Außenministeriums – seit fast 60 Jahren erstmals in der Hand der Union – ist von Bedeutung. Sollte sich Merz tatsächlich für Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein entscheiden, sagt das vor allem eines: Der Kanzler macht Außenpolitik zur Chefsache. Muss er auch! Trump, Putin, Xi – im Spiel der Alphamänner kann er nur mitmachen, wenn er die Dinge an sich zieht und auf Augenhöhe in den Ring steigt. Europa wartet sehnsüchtig, dass die Deutschen nach drei Jahren Scholz endlich mitspielen.
Wadephul wird der Zuarbeiter sein. Er mag sich zwar seit Jahren mit Themen wie Ukraine, Nato und Trump beschäftigen. Die breite Öffentlichkeit aber hat ihn bislang nur durch zwei gravierende Fehleinschätzungen wahrgenommen: Im Februar fiel er auf den Anruf zweier prorussischer Komiker herein, die sich als Selenskyj-Berater ausgaben, und plauderte mit ihnen über Waffenlieferungen. Und 2023 erregte er Aufmerksamkeit, als der die Berufung von Boris Pistorius zum Verteidigungsminister arrogant eine „Besetzung aus der B-Mannschaft“ nannte und ihn als „Landespolitiker“ abkanzelte. Die Bundesbürger sahen es anders: Pistorius ist der beliebteste Minister. Künftig arbeiten beide Hand in Hand. Gutes Gelingen!
MIKE.SCHIER@OVB.NET