Berlin – Halb Berlin hofft auf den Anruf vom Chef: Heute wollen CDU und CSU ihr Personaltableau für die nächste Bundesregierung benennen. Den ganzen Sonntag hindurch wurde gefragt, gebangt, gehofft bei jenen Abgeordneten, die sich Karrierechancen ausrechnen. Festgezurrt sind aber noch wenige Personalien. Die Parteivorsitzenden Friedrich Merz und Markus Söder behalten sich Änderungen bis zuletzt vor, drohen zumindest damit. Ziel: Plaudereien und Indiskretionen möglichst zu verhindern.
Auf CSU-Seite klappt das bisher besser. Bisher gibt es nur gut begründete Spekulationen, aber keine Bestätigungen für die drei Minister, die Söder benennen kann. Alexander Dobrindt (Innen), Dorothee Bär (Forschung, notfalls Agrar) gelten als gesetzt. Fürs Landwirtschaftsressort fällt der Name des niederbayerischen Abgeordneten und Metzgermeisters Alois Rainer; er ist bundesweit unbekannt, nicht jeder in Berlin traut ihm zu, der Aufgabe gewachsen zu sein. Für den Wechsel eines Ministers aus dem bayerischen Kabinett in die Bundespolitik gab es gestern keine Anzeichen. Die hiesige Agrarministerin Michaela Kaniber widersetzt sich wohl.
Im Parteivorstand heute will Söder alle Namen nennen; auch die der Staatssekretäre und eines neuen Landesgruppenchefs. Nachmittags beruft Merz auf CDU-Seite dann einen kleinen Parteitag („Bundesausschuss“) ein und benennt hier sein Team. Medienberichten zufolge sind die frühere Abgeordnete und heutige Energiemanagerin Katherina Reiche (Wirtschaft), Johann Wadephul (Außen) und Karin Prien (Bildung/Familie) dabei.
Die SPD wartet noch ab. Am Dienstag, 23:59 Uhr, läuft die Abstimmung über den Koalitionsvertrag aus. Die gut 358 000 Parteimitglieder hatten zwei Wochen Zeit zum Online-Voting. Neben der Mehrheit der Stimmen ist die Beteiligung von 20 Prozent der Mitglieder notwendig. Am Mittwoch gibt Parteichef Lars Klingbeil das Ergebnis bekannt. Er sei sehr zuversichtlich, sagte er unserer Zeitung. „Da merke ich, dass es Fragen gibt, dass es Kritik gibt und dass nicht zwingend eine Euphorie herrscht. Aber ganz viele sagen, dass es richtig ist, jetzt Verantwortung zu übernehmen und in die Regierung zu gehen.“ Er höre zudem oft: „Uns ist es lieber, dass wir mitregieren, als dass wir Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung bekommen und doch noch mal Stimmen in der Union lauter werden, die sagen: vielleicht mit der AfD.“
Klingbeil forderte die Union auf, alle Gedankenspiele über einen normalisierten Umgang mit der AfD zu stoppen. Namentlich geht das an Jens Spahn, der wohl neuer Fraktionsvorsitzender der Union werden soll. Klingbeil sagte: „Auch für Herrn Spahn gilt der Koalitionsvertrag. Und da steht ganz klar drin: Keine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien.“ Klingbeil sagte mit Blick auf die Migrations-Abstimmungen im Herbst: „Das, was vor der Wahl passiert ist, darf dann nicht wieder vorkommen. Darüber habe ich mit Friedrich Merz auch sehr intensiv geredet.“
Ihre sieben Minister-Namen will die SPD bis 5. Mai nennen. Solange weicht Klingbeil auch allen Fragen aus, ob er als Vizekanzler und Finanzminister ins Kabinett eintritt (und Co-Chefin Saskia Esken vielleicht als Entwicklungshilfeministerin). Die Kanzlerwahl, bei der Merz mindestens 316 Stimmen braucht, ist für 6. Mai angesetzt; die Koalition hätte 328 Stimmen.
C. DEUTSCHLÄNDER
JÖRG-STEPHAN CARL