Bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rennt Friedrich Merz (r.) mit seinem proeuropäischen Kurs offene Türen ein. © Steck/dpa
München – Um kurz nach 20 Uhr trifft Friedrich Merz bei seinem Gastgeber Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein. Es ist ein Abendessen zu einer fast schon mediterranen Uhrzeit. Merz liebt die französische Küche, ihren Wein – doch die ist nicht der Grund für seine abendliche Stippvisite. Es ist Ende Februar. Merz, gerade frisch gekürter Wahlsieger, steigt nach nur drei Tagen in die Maschine der Luftwaffe und jettet mal eben zu vertraulichen Gesprächen nach Paris. Viel über den Inhalt der Blitz-Unterredung im Élysée-Palast dringt nicht nach außen, nur ein Bild, auf dem Macron in gewohnter Charme-Manier Merz die Schulter tätschelt. Am wichtigsten ist ohnehin die übergeordnete Botschaft: Der deutsch-französische Motor ist geölt, die Freundschaft nimmt wieder Fahrt auf.
Gut zwei Monate später, am heutigen Mittwoch, lädt Macron erneut zum Abendessen. Doch diesmal zum Abschied von Noch-Kanzler Olaf Scholz. Zwar verbreitet man in Berlin vorab, dass dies ein „Ausdruck des engen Verhältnisses der beiden“ sei. Doch längst ist bekannt: Scholz und Macron waren nie das Traumteam, das sie zu sein versuchten. Politisch einfach zu weit voneinander entfernt, persönlich nie warm geworden. Ukraine, Verteidigung, Energie – bei allem herrscht Uneinigkeit.
Genau damit will Merz als neuer Kanzler brechen. Als ultimatives Zeichen der Nähe wird seine erste Reise offiziell im Amt erneut nach Paris führen. „Es ist höchste Zeit, dass wir wieder eine neue Vertrauensbasis zwischen Deutschland und Frankreich schaffen, die schon atmosphärisch zwischen Scholz und Macron nie zustande kam“, sagt der CDU-Politiker Yannick Bury unserer Zeitung.
Als stellvertretender Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe pflegt Bury engen Kontakt zum Nachbarn. Doch vor allem die offizielle Kommunikation der Scholz-Regierung stößt dort auf Unverständnis. „In den letzten Jahren wollten meine französischen Kollegen ganz oft wissen, was eigentlich gerade die Linie der deutschen Regierung ist – weil sie diese einfach nicht nachvollziehen konnten“, sagt er. So hätten die französischen Partner etwa aus der Zeitung vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds erfahren – ohne Rücksprache. „Da hat das Vertrauen in den letzten dreieinhalb Jahren gelitten.“
Merz muss also ein angeknackstes Verhältnis kitten. Zu einem Zeitpunkt, zu dem mit der Flatterhaftigkeit der USA, der Erbarmungslosigkeit Russlands und der Ausweglosigkeit der Ukraine europäische Führung kaum wichtiger sein könnte. Schwerfallen dürfte Merz die neue Rolle nicht – schließlich ist er ein eingefleischter Europäer, startete seine Politkarriere 1989 im Europaparlament. Mehr Waffen für die Ukraine, eine gemeinsame Linie bei der europäischen Verteidigung, da finden Merz und Macron einen gemeinsamen Nenner. „Merz hat anders als Scholz einen sehr tiefen Sinn für die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit und der deutsch-französischen Freundschaft“, sagt Bury.
Ohnehin hat Merz mit dem CDU-geführten Auswärtigen Amt die Außenpolitik zur Chefsache deklariert. Hat zuvor angekündigt, aus der Union „niemanden zum Minister oder Staatssekretär“ zu machen, „der nicht wenigstens alltagstaugliches Englisch spricht“.
Auch innenpolitisch verspricht sich das Duo eine Schubwirkung der gemeinsamen Offensive. Denn beide Länder sind mit einer aufstrebenden Rechten konfrontiert. Nur tickt die Uhr in Frankreich lauter. „Wir haben noch zwei Jahre Zeit bis zur nächsten Präsidentschaftswahl in Frankreich, aber nur ein Jahr bis zur Kommunalwahl in Frankreich, um zu zeigen, dass die politische Mitte in Europa handlungsfähig ist“, erklärt der CDU-Abgeordnete Bury.
Und dazu darf sich der Blick nicht nur in den Westen von Europa wenden. Das weiß auch Merz, der von Paris aus direkt nach Warschau weiterreist – um das Format des Weimarer Dreiecks (Frankreich, Deutschland, Polen) zu stärken. Damit die EU künftig wieder geschlossen, auf Augenhöhe mit Weltmächten agieren kann. So hat es Merz versprochen. Jetzt muss er liefern.