Webers Vision für Europa

von Redaktion

Gratulation zum Wahlsieg: Ursula von der Leyen umarmt den alten und neuen EVP-Chef Manfred Weber. © Jose Jordan/AFP

Valencia – Der Mann, um den es geht, kommt erst ganz zum Schluss. Manfred Weber hat sich seine Rede für Dienstagabend aufgehoben, als krönenden Abschluss oder, wenn man so will, als Abschluss einer erneuten Krönung. Seit drei Jahren ist er jetzt Chef der konservativen EVP – beim Parteitag in Valencia wählen ihn die Delegierten erneut. Er bekommt 89 Prozent, exakt so viel wie 2022. Zittern musste er mangels Gegenkandidaten keine Sekunde.

Man vergisst das leicht: Markus Söder mag der präsenteste Bayer in Deutschland sein, Weber ist der mächtigste in Europa. Das EVP-Treffen ist eindrucksvoller Beweis. Just am Tag nach dem landesweiten Stromausfall sind hunderte Delegierte und Gäste aus ganz Europa in die Kongresshalle in der bildschönen Mittelmeerstadt gereist, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, diverse Staats- und Regierungschefs, Bald-Kanzler Friedrich Merz. Am Rande laufen Debatten über die Ukraine, Aufrüstung, wachsenden Populismus, den Kurs der Partei. Aber neben all dem geht es der EVP auch darum, sich um ihren Chef zu versammeln.

„Ich spüre viel Unterstützung aus der Parteienfamilie“, sagt Weber schon am Vormittag. Dass das nicht immer so war, weiß er selbst. Früh schon bemühte er sich etwa um einen guten Draht zu Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die pragmatisch regiert, deren Partei Fratelli d‘Italia aber ihre Wurzeln im Faschismus hat. Es hagelte Kritik, auch aus Bayern, Weber aber blieb bei seinem Credo: Zusammenarbeit sei mit allen möglich, die für Europa, für die Ukraine und für den Rechtsstaat sind. „Heute erlebe ich niemanden mehr, der mich dafür kritisiert.“

Der 52-Jährige ist in der EVP inzwischen relativ unanfechtbar. Er selbst führt das ganz unbescheiden auf die letzten drei Jahre zurück; in seiner Rede am Abend zeichnet er seine erste Amtszeit als Erfolgsgeschichte nach. Als er 2022 übernahm, sei die EVP politisch in der Defensive gewesen, heute stelle sie 13 der 27 Staats- und Regierungschefs. Er spricht von der Europawahl im letzten Jahr, die die EVP klar gewann. 188 Abgeordnete sitzen in der Fraktion, die Weber ebenfalls führt. Zusammen ergibt das viel Einfluss.

Der Niederbayer nutzte ihn unter anderem dazu, Kommissionschefin von der Leyen letztes Jahr auf ein konservativeres Programm zu verpflichten. Mehr Kontrolle bei der Migration, weniger Gewicht auf Klimaschutz, weniger Bürokratie, solche Sachen. In der EVP rechnen sie ihm das hoch an. Und Weber will das Gewicht künftig noch gezielter nutzen.

Die EVP, sagt er in der auf Englisch gehaltenen Rede, habe gezeigt, dass sie liefern kann. In Zukunft wird das aus seiner Sicht noch viel nötiger sein. Europa sieht er am Beginn einer neuen Ära, die Gemeinschaft brauche eine kraft- und hoffnungsvolle Erzählung gegen den grassierenden Populismus. „Die größte Aufgabe unserer Generation ist eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik“, sagt er und verweist auf Konrad Adenauer oder den französischen Außenminister Robert Schuman, die schon in den 1950ern über eine Verteidigungsgemeinschaft gesprochen haben – um Frieden in Europa zu sichern.

Die EVP soll die europäische Einigung an diesem Punkt vorantreiben, das ist Webers Botschaft. Im Moment stärke jedes Land nur seine eigene Armee und das, während Populisten wie Le Pen oder die AfD stärker würden. „Starke Rechtsextreme und starke nationale Armeen – historisch gesehen macht mir das Angst.“ Nationale Armeen seien wichtig. Weber aber fordert ihre Einbindung in eine europäische Struktur, die „irreversibel“ ist.

Schon vor ihm spricht Friedrich Merz, den sie in Valencia feiern, als sei er schon zum Kanzler gewählt. Das mag damit zu tun haben, dass er mehr deutsche Führung verspricht und von der Leyen beim Kampf gegen Überregulierung Beine macht. Die von der EU-Kommission geplante jährliche Pflichtinspektion für ältere Autos nennt er „Unsinn“, der dazu beitrage, das „großartige EU-Projekt“ kaputtzumachen. Am Ende bekommt der Kanzler in spe stehenden Applaus.

Weber kann sich nun auf die kommenden drei Jahre konzentrieren. Mit Blick auf seine Ideen könnte jene Parteireform noch nützlich werden, die die Delegierten in Valencia beschließen. Sie soll mitunter zu einer besseren Absprache zwischen EVP-Ministern vor wichtigen Entscheidungen führen – aus der Parteienfamilie soll mittelfristig eine schlagkräftige Partei werden. Mit Weber an ihrer Spitze.

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